Besprechung im PriesterseminarParallelansicht ⇨
Gesprächsprotokoll, 29. März 1930

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Besprechung 29.3.30 im Seminar: Regens, Subregens, Propst, ich. Wochenlang auf dem Krankenzimmer, in keiner Messe, in keiner Vorlesung, aber stundenlang Zeitung gelesen. An sich hätte ich gerne einen Kooperator, der dem Bauernbund entgegentreten würde. Hauptgrund wäre nicht seine politische Einstellung, sondern die Unzuverlässigkeit seines Charakters, er soll sich nicht als Märtyrer der Partei aufspielen können. Trischberger hat ein Manuskript bei ihm gesehen: Katholizismus und Nationalsozialismus (Titel ist unsicher), aber Untertitel sicher: Gedanken eines Außenseiters im Priestergewand. Die Mehrzahl seines Kurses gegen ihn, das ist immerhin ein schweres Urteil. Hat Artikel geschrieben. Er glaubt, der Generalvikar hätte ihm gesagt, er würde wegen seiner nationalsozialistischen Einstellung weggeschickt. - Das ist eine von den Wahnvorstellungen und Umstellungen der Tatsachen, die von mehreren Seiten bei ihm beklagt werden.

Spiritual: Ich bin nicht gegen die Weihe. Er will Priester werden, erkennt das als seinen Beruf, hätte früher leicht weggehen können, ist von Haus nicht gedrängt. Es wäre zu bedauern, wenn er seinen Beruf nicht erreicht. Er hätte ihm früher schon gesagt: Es könnte die Zeit kommen, daß die oberhirtliche Stelle ihm die politische Betätigung, besonders die schriftstellerische, verbietet. Darauf, wie das promitto zu fassen sei, Scharnagl hätte es in weiterem Sinne ausgelegt.

Wenn öffentlich wird: Nicht wegen seiner politischen Einstellung. Dazu hätte ich nach den Aussagen des Herrn Gigl keinen Anlaß gehabt. Herr Gigl versicherte mir, er habe die Kulturpolitik der Nationalsozialisten stets abgelehnt, habe das seinem Herrn Vetter gegenüber und in öffentlicher Versammlung ausgesprochen. Nur einmal habe er erklärt, Dr. Buttmann sei nicht gegen konfessionelle Lehrerbildung, nur für universitäre Bildung. Er sei aus der Partei ausgetreten, sei bereit, eine schriftliche Erklärung abzugeben, daß er niemals mit der Partei etwas zu tun habe wolle, sei bereit, öffentlich vor den Alumni des Seminars diese Trennung von den Nationalsozialisten bekanntzugeben. Erklärte, daß Hitler die Veröffentlichung von Ludendorff nicht bedauere, nach dem allen hätte ich keinen Grund gehabt, ihn zu entlassen wegen Zugehörigkeit zu den Nationalsozialisten. Die wirklichen Gründe der Entlassung, die nicht auf sittlichem Gebiete liegen, werde ich öffentlich nicht nennen. Der Beobachter hat keinen Anlaß, sich zu entrüsten, denn ohne Weihe wird Gigl für seine Partei arbeiten können, während er als Priester im voraus abgeschworen hätte. Nicht ohne tiefes Mitleid mit dem furchtbaren Geheimnis erblicher Belastung. Das Kirchenrecht ist sehr streng und dafür ist ja das Seminar da, um kennenzulernen.

13.9.30. Nach der Bischofskonferenz in Freising vor Regens und Subregens geurteilt: Er halte fest am Beruf, wolle eventuell in eine andere Diözese, also soll er zugelassen werden: Vielleicht Totalabstinenz versprechen - auf dem Ordinariat, ob er für die katholische Schul- und Lehrerbildung sei.