Tagebucheintrag vom 9. Mai 1919Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10003, Seite 82

9. Mai 1919 von der Firmung zurück, von Wasserburg bis München /
½6 - ½1: in
Grafing 3 St. im Bahnhof auf und ab, zum Glück die erste warme Nacht mit Mond und Sternen. /
Der polit. Umschwung läßt alles aufatmen: Die Leute reden wieder miteinander, warten stundenlang geduldig auf den Zug, die Soldaten mit der weißblauen /
Binde grüßen. Der Zug zum Erdrücken überfüllt, wir stehen zwischen Tohu u wabohu auf der Plattform - unsicher ob man /
nachts noch in die Stadt gehen darf. Ein Hr erzählt, er habe vorgestern die Nacht im Hauptbahnhof zubringen müssen weil die Posten, die überfallen wurden, /
nicht mehr den Ausweis kontroll. ½12 in München Ost, man bekommt Ausweis um von Bahnhof in die Wohnung /
zu gehen. Wie anders ist das Bild als bei unserer Wegfahrt. Auf dem Heimwege die Straßen wie ausgestorben, nur die Posten /
mit Stahlhelm verlangen drei Mal den Ausweis, bes. an der Brücke wo auch Maschienengewehre stehen. Einzelne Schüsse fallen. /
Ein Mann aus der Gegend von Traunstein, Schwaiger, läuft uns nach und fragt ob wir nicht wüßten wo er übernachten könne. /
Er habe eine Tochter bei den Guten Hirtinnen und wolle sie besuchen. Ich nehme ihn mit und er ist sehr dankbar. Er meint es wäre gescheiter wir hätten unseren /
Monarchen behalten, ein Arbeiter könne doch ein Land nicht regieren.

Während der Firmung. Graf Moy da (er habe gehört ich sei bei den Geiseln), ein Sturm aus der /
Finkenstr., Dir Henrich wiederholt um mich besorgt.