Tagebucheintrag vom 22. April 1919Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10003, Seite 80

Osterdienstag sollte die Arbeit nach 8 täg Generalstreik beginnen. Die Räte haben aber /
beschlossen, einen Feiertag zu Ehren der Gefallenen noch einzulegen. Von 10 ab früh hat aller Wagenverkehr /
auf der Straße aufzuhören. Nachm. 3h elf große Versammlungen - die Hauptversammlung sollte im Dom sein, wurde aber doch noch /
abgelehnt. 5h Demonstrzug mit etwa Achttausend von der Theres. wiese zur Ludwigstr. und Witt. /
Palast.
Es ist sehr kalt und man hat allgemein den Eindruck: Es läßt sich keine rechte Begeisterung mehr hineinpeitschen. /
Von auswärts und aus der Luft kommen Meldungen, die Weiße Garde werde München bald von den Spartakisten und ihrem /
russ. Terror erlösen. Darüber großes Geschrei: Man wolle mit Waffen gegen die Arbeiter gehen (die Arbeiter selber sind aber längst /
selber bewaffnet), man werde gegen den Bürgerstreik mit allen Mitteln vorgehen (der Arbeiterstreik ist aber jeden Tag erlaubt), die /
Presse.
unterdrückt, nur die „Mitteilungen des Vollzugsrates“ erscheinen unentgeltlich. An Geld sind nur 1 MScheine zu haben - /
2 St. warten auf der Bank und dann bekommt man 200 M. Die Druckstempel für die größeren Banknoten hat die Regierung /
Hoffmann mit fortgenommen. Keine Post, keine Zeitungen von außen. Wir sind wie auf einem Schiff oder auf einer Insel abgesperrt.