Tagebucheintrag vom 5. Januar 1919Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10003, Seite 34-35

5. Jan. Henrich Landesturnanstalt – mir mit bewegter Stimme zu versichern, daß sie auch noch da seien mich zu schützen – /
wenn nicht mit Gewalt so doch mit dem Worte eintretend. Bei ihnen sei mehrmals eingedrungen und geplündert worden.

Meßner von St. Johann, der bis 1878 bei Erzbischof Gregorius war: Der wohnte im oberen Stock, /
badete Donnerstag wozu das Wasser aus der Waschküche heraufgezogen werden mußte. Nach dem Abendtisch einige Herren immer zum Taroken. Empfang- und Arbeitszimmer zusammen, /
Schlafzimmer nach rückwärts weil dort Garten. Das große Bild vom Dom von Ludw. II: Bei Tisch erzählte er wie gut ihm das Bild gefalle und als /
er heimkam, war das Bild bereits aufgehängt.

Oberbürgermeister v. Borscht: Er habe Bedürfnis mit mir zu sprechen (wahrscheinlich hatte er vom Anschlag gegen mich gehört). Was er einmal an den König schreiben soll. Nach /
32 Jahren wird er gehen in diesem Jahre. Man wisse keine Nacht ob man nicht herausgerissen und massakr. werde.



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vorabd. von Epiph.: Als wir zur Vesper kamen, noch große Aufregung. Vor dem Dom waren Flugschriften für /
die Wahl verteilt worden (ich glaube der Aufruf der Prot. für Volkspartei einzutreten), aber nicht auf der Stiege sondern auf dem Bürgersteig, darüber Lärm in der 12h /
Messe.
Denn vom Turm aus waren Zettel dem Wind übergeben (meist zerrissen, was für Zettel weiß ich nicht), flogen bis ins Minist. – da gab es /
von dort einen Auflauf: Dompfr verhandelt, wird beschimpft, ein Mann wird geschlagen, einer schreit: Da steckt der Erzbischof dahinter. Nach der Vesper /
beraten wir: wir An den Kirchentüren soll angeschlagen werden, daß keine Flugblätter verteilt werden dürfen, der Turm wird gesperrt, dem Polizeikommissar wird darüber Meldung gemacht für die Versammlung heute Abend. /
12h war nämlich ein Demonstr.zug der Kriegsbeschädigten (die Blinden nehmen nicht Teil), deshalb waren Wagen ausgerückt und deshalb alles nervös.

Während der Vesper alles sehr ernst. Der Sturm wirft die Tür ins Schloß und das Amt glaubt, es wird /
gerüttelt. Am Telef. drei Mal Nachricht: Sonth. hat in einem Flugblatt aufgefordert, eine Demonstr. gegen den Erzbischof zu machen, /
aber niemand bringt das Flugblatt. Eine Frau Oberst kommt an die Pforte: Sie habe in Thalk. zwei Soldaten im Gespräch gehört: Ja der Erzbischof /
hat auch so Schriften herausgegeben, aber auf Dreikönig soll er etwas erleben. v. Ow fragt an ob wir noch leben, sie hätten gehört es sei Demon.zug gewesen.