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Margarete AdamParallelansicht ⇨
Gesprächsprotokoll, 9. Januar 1922

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Montag, 9. Januar 22. 11.15 - 13.40 Uhr.
Fräulein Adam, von meinem Sekretär bestellt, dankt sehr warm für diese Einladung und Aussprache. Seit Monaten höre sie die schrecklichsten Gerüchte, was ich für scharfe Ausdrücke gebraucht hätte, sei auch ersucht worden, zu mir zu kommen, habe aber erklärt, man werde sie schon rufen. Entwickelt in offenbar vorbereiteter, wortreicher Art: Die Frauenwelt wird radikal aus dem alten Boden herausgehoben wie noch nie in der Geschichte. Auch als das Christentum die Frau heraushob? Jede Zeit glaubt an diese Neuheit. Der Mann könne sie gar nicht verstehen – ich höre lange zu und erkläre dann: Nun müssen Sie mich auch reden lassen.

„Sind Sie katholisch?“

Genesis: Auf Bitten von Kösters niedergeschrieben und an vier Korporationen geschickt - die Indiskretion hinausgekommen – dann abgeändert und in 32 (?) Stück nach Bonn (war eine Zeit lang verloren). Sie ist 36 Jahre - junge Semester seien sehr scharf gegen sie aufgestanden.
Ich habe Ihnen zu erklären 1) Die logische Unterscheidung fehlt: Sie reden von dem Ordo der Äbtissinnenweihe und glauben ohne weiteres, das sei der sakramentale Ordo. Frauendiakonat ist nicht Frauenpresbyterat. Gewiß sind die Riten der Königsweihe, der Bischofsweihe in manchen Dingen (eigene Weihemesse, Übergabe des Evangeliums) einander gleich, aber deshalb nicht die Weihe die gleiche. Daher kommt es, daß manche Ihnen zuerst zustimmen, weil die Hörer oder Leser an den Laiendiakonat denken, vielleicht Ausbau auch als Pfarrhilfe … Religionsunterricht in den oberen Stufen, Vereinsarbeit, Diakonatsabende in den Universitäten – alles gut, aber nicht priesterlich.

Sie sprach viel vom ersten Brief des Bischofs Berning (er wolle mit anderen Bischöfen reden), aber nichts von seinem letzten Brief, worin er klar ablehnt.

Sie spricht von der Macht, will aber priesterliche Funktionen ausgeschlossen haben. (Sie meint die Laienbeichte).

2) Die Kirche hat im Canon 968 gesprochen, solus vir – Subjekt der Priesterweihe. Das ist in päpstlicher „Machtsprache.“ Und wenn theologische Gründe, hier nicht die Frage. Sondern die Tatsache. Für die Kirche: Substantielle Vorbedingung, und wer das ablehnt, begibt sich auf eine außerkirchliche Linie, genau wie es Schisma wäre, das Fasten abschaffen zu wollen, oder das bischöfliche Weihevorrecht den Priestern zuzuweisen, oder das Mischehenverbot aufheben zu wollen.

3) Beachten Sie die Konsequenzen a) für akademisches Studium der Frau: Seit 1909 das erobert, heute noch Gegner innerhalb und außerhalb der Universität (confer Strassburg) und das würde sofort wieder einsetzen. „Ah, da geht es hinaus“? b) Für die katholische Frauenbewegung überhaupt: Da und dort arbeitet sie sozial, nicht bloß caritativ, auch in der Pfarrhilfe und jetzt sofort wieder die Gegner. c)[      ]

Die theologische Begründung? 1) Beim Abendmahl nur Männer. Tut das zu meinem Andenken - Nicht einmal zur Mutter
Gemeint ist Maria, die Mutter Jesu.
gesprochen, also historisch. 2) Die übernatürliche Ordnung auf der natürlichen aufgebaut. Atqui in der natürlichen Ordnung der Mann der Träger der Autorität in der Familie (in häuslichen, ehelichen Fragen …), die Kirche Gottes eine große Familie, wo auch der Mann die Autorität ist. Schell: Der Mann der gebende, die Frau der empfangende Teil, nicht als ob sie zur Passivität verurteilt ist! 3) Die kirchliche Tradition auch Quelle der Offenbarung: In den Apostelbriefen viel von Priesteramt und Bischofsamt die Rede, auch von den Witwendiakoninnen. Aber nichts von Weihe. Kein einziger Fall nachweisbar, daß eine Äbtissin oder sonst eine Frau Priesterinnenamt ausübt. Es handelt sich nicht darum, ob eine Äbtissin das Evangelienbuch bekomme und das Evangelium gesungen habe – es handelt sich um Beichte und andere priesterliche Funktionen. Die Kirche von der früheren Gewohnheit abgekommen, von der Spendung der Kommunion durch die Frauen (weil die Zwangslage wegfiel, auch dann Aussprache der Kirche).

Christus seinen Brüdern vorbehalten, den Erlösersegen weiterzuleiten, wie der Patriarch den empfangenen Segen weiterleitete.

Sie bewegen sich in protestantischen Gedankengängen: Ihre Termini (heilige Handlung, päpstliche Machtsprache), an Literatur nur Helene Lange und Gertrud Bäumer, (ihr Studienplan biblischer Wissenschaft fern, ohne Moraltheologie) hat Harnack gehört und andere protestantische Theologen (ich erzähle von den Italienischen) - ich hätte nie geglaubt, daß Sie katholisch seien. (Von Seminar keine Rede). Bei den Protestanten gibt es Pfarrerin! Sie spricht von „Entwicklung“, genau wie die Protestanten Dogmengeschichte behandeln.

Diese rein naturalistische Betrachtungsart: In jedem geschichtlichen Entwickeln habe sich Gottes Wille geoffenbart - Offenbarungsbegriff von Delitzsch. Sie meint, eine Geschichtsbetrachtung könne gar nicht konfessionell sein. Tatsächlich trägt der Forscher seine Ideen hinein.

Wesentlich ist 1) Sie stellen sich mit dieser Forderung auf eine außerkirchliche, schismatische Linie. Wohl guten Willens, aber das waren alle am Anfang. 2) Die Männlichkeit ist für die Kirche eine substantielle Vorbedingung. - „Das höre ich zum ersten Mal.“ Ich habe nicht mit Drohungen gesprochen, ich sage nur: Wenn das wahr ist, dann muß sie selber die Konsequenz ziehen und alles Werben unterlassen. Auch den Artikel womöglich zurückziehen, sonst kommt Gegenartikel und die Sache nimmt kein Ende.

„Aber sie wollen doch mehr, als Laienbeichte“? Laienbeichte habe sie aus Bartmann-Dogmatik: Eine Culpa wie heute in den Klöstern, aber sakramental und priesterlich. Ich werbe nicht, ich lasse Freiheit - umso gefährlicher. Rundschreiben an die Korporationen. Ein Mißbrauch der katholischen Organe.

Sie sind irre gegangen und Sie müssen zurückgehen.



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Gerüchte: Gehen Sie diesen Gerüchten nach - wer hat das gesagt. Ich habe das erst gehört bei Keppler, 24. November 21 (seit Oktober ist sie hier), dann Briefe von Geistlichen, die der Korporation nahe stehen - war mir sehr peinlich, von auswärts mir das sagen lassen zu müssen. Hier zum ersten Mal auf dem Ordinariat (von der Reise zurück), daraufhin gab mein Referant nicht vielsagende Aufklärung (über Mittagstisch ...) und dann schrieb ich an Bischof Berning.

Einzelheiten: Berning ist von einer Klosterfrau ihr empfohlen, die „anderen“ Geistlichen hätten gegen sie gearbeitet: Es sei ein Skandal und eine Schande, daß die Hildegardisschwestern ihr noch Mittagstisch gaben, jetzt gehe sie in die Studentenküche.

Beicht: Der Beichtstuhl ist nicht da, um eine lange psychologische Vorlesung zu halten, sondern um seine Sünden zu bekennen und dann mit einer Mahnung losgesprochen zu werden. Was im sechsten Gebot verboten ist, ist Sünde - natürlich suchen die Menschenkinder das alles als menschlich hinzustellen - die Kirche als unzeitgemäß, unbiblisch, ungöttlich, unmenschlich. - Der SJ zum König: Ich weiß nicht, was platonisch ist, aber sechstes Gebot.

Berufung auf meine Charakterbilder: Dort soviel Unterschied zwischen innerkirchlicher und außerkirchlicher Tätigkeit. Sie werden mir zugeben, daß ich nicht mit Exkommunikation gedroht, sondern als Bischof Ihnen den kirchlichen Standpunkt erklärt habe.

Wenn Sie wüßten, was ich für Visionen bekomme, dicke Manuskripte, die alle vom Geist Gottes bewegt sind, besonders Apokalypsen.

Was gut ist: Von [ ... ] man das gleiche [ ... ] - schon längst ausgesprochen.

If
Bisher nicht eindeutig entschlüsselte Abkürzung Faulhabers. Meist scheint sie ihm dazu zu dienen, sich selbst als Sprecher zu kennzeichnen.
: In der Frage Berning habe ich nur gesagt: Sie hätte sich immer nur (wenn Sie sich auf ihn berufen) auf seinen ersten Brief berufen, er wolle mit den anderen Bischöfen sprechen, nicht aber auf seinen letzten Brief, worin er klar angesprochen, den seelischen Schaden wieder gut machen - ist ABC der Seelenleitung, wenn man in den Beichtstuhl will.

Mit den gleichen Redensarten vom „Neuland bebauen“ hat Frau Amon
Es dürfte die Ehefrau des Schriftstellers Hans Amon gemeint sein.
, ebenfalls eine frühere Lehrerin, Kommunismus begründet.

Muth habe sich möglichst [ ... ] benommen, er habe immer nur gemeint, der Klerus würde das nicht ertragen.

Es gibt Canones, die einer geschichtlichen Wandlung unterliegen und unterlegen sind, dieser Canon 968 aber gehört nicht zu diesen - „Das höre ich zum ersten Mal“.

Wenn Priester, dann natürlich ebenso gut Bischof und Papst. Nicht persönlich werden: Immerhin anzudeuten, daß, wer für Deutsche Demokratische Partei politisch die Frauen sammelt, nicht gleichzeitig für katholische Dogmatik reden kann und wer außerhalb der Kirche steht mit seinem ganzen inneren Leben, nicht über eine kirchliche Frage reden soll. - Es ist eine Teilerscheinung in dem verzweifelten Kampf gegen Kirche.
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