Tagebucheintrag vom 19. März 1922Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10007, Seite 20,21

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19. März: 7.00 Uhr im Dom vor meiner kleinen Gemeinde celebriert.

Fräulein Dingfelder mit Fräulein Betty Müller : Ist seit 16 Jahren auf der Bank, hat „für die Familie Deutsch“ unglaubliches geleistet, wie Pater Rupert Mayer schreibt. Die Mutter Jüdin, bekehrt und sorgt jetzt für die zwei letzten Kinder. Erhält für diese Kinder 700 M. und ein Papstbild.

Frieda von Buhl: In schwarzem Schleier. Ob ich noch die Briefe von ihrem Mann hätte? Sie will sie herausgeben, weil er ein Prophet gewesen - Nein, sind verbrannt. Ist in Sorge, wenn ein Fehljahr kommt. Sorgt viel um ihre Wirtschaft - geht nach Berlin, weil sie in der Reichskonferenz der Frauen von der Deutschen Volkspartei sei. Ihre Schwester hat eine Schwiegertochter verloren. Ihr Neffe will ernst Theologie studieren.

Frau van de Weyer-Theo - seit 16 Jahren Witwe mit vier Kindern, davon einer schrecklich gestorben im Kriege. Sie selber war Pflegerin im Lazarett - jetzt will sie einen Arzt in Kandel, Pfalz, heiraten, aber ihr evangelischer Bräutigam will den Eid nicht unterschreiben. Pfarrer Becker von dort und Pfarrer Wallner von Nymphenburg schicken sie zu mir. Mit Rücksicht darauf, daß sie 47 Jahre ist und ein ärztliches Zeugnis über Conceptionsunfähigkeit vorliegt, mag von dem Eide abgesehen werden. Sie bittet um den Segen und beteuert, daß sie für den katholischen Glauben alles tun werde, daß auch ihr Mann wohl noch katholisch werde.

Gräfin Moy mit Irmgard - daß ich nicht bei der Firmung war, letzten Sonntag. Über den Vortrag von Baron Cramer-Klett - will einen Kommuniontag in meiner Kapelle - leider nicht möglich.

Maria Huber - hat große Osterkerze geschickt, will aber später die Schachtel zurück. Das linke Auge schmerze, will wieder zum Arzt gehen, überhaupt ängstlich in Krankheit.

Malchen Weyrather - verabredet auf Donnerstag. Zur heiligen Messe in der Hauskapelle Georgenstraße.

Pater Rupert Mayer - Dank für das Flugblatt gegen die Adventisten. Über die verschiedenen Klassen bei der Beerdigung, besonders weil mehrere Geistliche mitgehen, darüber viel gesprochen - ja, aber die Kooperatoren rechnen auf in Gebühren. War bei sozialistischem Jugendverein gestern abend zur Märzfeier: Es sei kein Schwung darin,

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kein Vergleich mit unserer Jugend, schwach besucht, Reden matt, Knaben und Mädel durcheinander, aber anständig, kameradschaftlich - ich gebe ihm Stipendium für 4 900 M.

Heute hat es Nachmittag wieder zweimal an meiner Türe geklopft, und nicht nach Menschenhand, - pulsat vero Dominus, cum per aegritudinem mortem vicinam esse designat. Dabei ist die Seele voller Frieden, es ist ja heute der Tag des Patrons der Sterbenden.

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