Tagebucheintrag vom 12. Mai 1920Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10004, Seite 94

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12. Mai. Firmung Sankt Margaret, Sendling, ohne Frühstück, von Firmung dort in Psychiatrische Klinik, um drei in einem Saale zu firmen. Kurat Spöttl und Brunner haben vorbereitet, Geheimrat Kraepelin lädt nachher ein zum Besuch der Klinik.

Elena Stefanowa, Tonkünstlerin, Tochter des Vikars General von Bulgarien, seit zwei Jahren hier privat Musik studiert, jetzt ausgewiesen, bittet um Fürsprache. - Respondeo: Ich kann nichts tun. Die Polizei hat mir bedeutet, ich solle nicht mehr Fürsprache einlegen.

Präsident Kahr: Es sei Kaffeehauswirtschaft, wenn man zweimal interpelliert werde. Was man einer Abordnung gesagt habe. Er rechne bestimmt, es werde in Bayern ruhig bleiben, und allgemein erwarte man von Bayern die gute Rückwirkung aufs Reich. Nächstens in Berlin werde er klar aussprechen, Unmöglichkeiten könnte man von Bayern nicht verlangen. „Wir vier von der Volkspartei“, Bauernbund geht auch mit, nur die Demokraten - da muß man fortwährend an der Koalition flicken. Er habe Nachricht, daß Frankreich uns die Einwohnerwehr nicht nehmen wird. Die Neuesten Nachrichten sollten auch gesperrt werden.

Vorort Cartellverband: Präsident Scholles und Schriftführer Schotten wollen ihre Aufwartung machen, weil Vorort hierher verlegt wurde. Sie streben ein katholisches Studentenheim an.

19.00 Uhr Abgeordnete Gebsattel: 1) Ob sie zu Societas Religiosa gehen solle. Was kindliche Liebe sei, Bedürfnis nach Zärtlichkeiten ihrer Familie gegenüber, habe sie nie gekannt. Aber die Feiertage will sie doch bei den Eltern in Augsburg zubringen. Der Vater, früher Kirchenfeind, erfülle jetzt die äußersten Pflichten, die Mutter wurde zwangsprotestantisiert, seit 1913 übergetreten... 2) Referentin für Mädchenschule - ob sie sich selber vorschlagen dürfe, weil sie mit Lex gut zusammenarbeite. - Ja. Siehe besonderes.

Pfarrer Scheitzach von Erding schreibt: Ein Mann, der noch am Morgen des Firmtages über Religion gespottet und geschmäht habe, sei dann durch meinen Besuch im Krankenhaus umgewandelt worden und habe den Schwestern gegenüber Abbitte geleistet. Er werde aber bald in die Ewigkeit abberufen.

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