Tagebucheintrag vom 29. Oktober 1922Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10007, Seite 102,103

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29. Oktober. Nach einer Nacht mit einer Ölbergstunde 2.00 - 3.00 Uhr (richtige Herzschmerzen, wie wenn man einen großen Brocken verschluckt hat, ich nehme mein Kreuz, schließe die Gangtüre auf, und es ist wie ein Klopfen: Dominus ante portam!), 7.00 Uhr im Dom in Sorge, ob ich die heilige Messe ganz lesen kann, und es ist gut gegangen.

Baron Wrede - war inzwischen bei Gräfin Preysing, will jetzt zum Onkel fahren, ob er die Kosten für dieses Semester übernehme, und dann wiederkommen.

Dr. Maria Helm - „nicht von Speyer, sondern vom Hildegardisverein“. Taucht also nach Jahr wieder auf, war inzwischen bei den Dominikanerinnen in Luzern, will aber in der Welt ihren Weg gehen, zur Zeit in einer Privatschule Küspen(?), später wohl in städtische Schule und dabei sozial arbeiten. Erhält 1 000 M. für Hildegardisverein als Jahresbeitrag.

Generalleutnant Müller - dankt für das Stipendium für seinen Sohn. Bei ihm ein formales Dépot und ein geistliches Vaterhaus für Germaniker.

Herr Wolff, Geschäftsführer der optischen Anstalt Rodenstock, zusammen mit Prälat Hartig - dankt für seinen päpstlichen Orden, ganz glücklich damit. Redet sehr viel: Wie er die Leichenverbrennung ablehne, einen armen Jungen habe ausbilden lassen, der jetzt Jubiläum in seinem Haus feiere, habe eine gute Mutter und guten Vater gehabt, in Kissingen habe meine Rede großen Eindruck gemacht, trägt ein Gebetbuch mit Katechismus bei sich und sagt allen, daran ist nichts zu ändern. - Übergibt mir 20 000 für die Armen.

Gerda Delonge - bringt Brief von der Schwester, einige Gedichte, - das Buch über Ästhetik kann sie noch behalten.

Frau Zetl, von Paz geschickt - gibt Bericht, wie die Gelder vom Tee verteilt worden sind, selber nicht in besonderem Verhältnis, weil ihr Mann seine Lehrerstellung aufgeben musste und jetzt Paz Buch führt. Ihre Tochter so schön gestorben: Klagte nicht, wenn Jesus eine Lilie bricht, - sagte der Mutter: Gott verzeihe, Dir, daß Du nicht von Trennung sprechen willst - sah die Engel kommen.

Archimandrit Dr. Sergy - mit Kreuz und schwarzem Talar, wohnt bei einem General, der aber nicht praktiziert. Will sich erkundigen und für die römische Kirche etwas tun, ich gebe Adresse von Sankt Bonifaz, - läßt einen Dankesbrief an Mercier zurück, „aber der ist nicht Papst“ und der Papst hat in

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Genua eine Rolle gespielt, daß man seinen Namen in Rußland nicht nennen darf (offenbar, weil er mit den russischen Delegaten so freundliche war!!) Will Gegenbesuch vorher wissen - erkundigt sich, wie viele Bischöfe in Bayern.

Theologus Bayer, Pasing - hatte zu Gerda Delonge gesagt: Sie brauche sich nicht zu fürchten, ich sei sehr gut mit den Besuchern. Wollte in das Georgianum. Aber der Direktor sagt, er soll bei seiner Mutter bleiben, will also immer hereinfahren. Erhält vorläufig 1 000 M., später vielleicht ein Stipendium.

Schwestern Haieck: Die eine wandert 11. November mit Pater Wolfgang, ihrem früheren Beichtvater, nach Porto Alegre aus, die andere übergibt eine Flasche Wein von ihrem Vater heilig aufgehoben und jetzt „Opferwein“ bestimmt. Dank für meine bisherige Unterstützung und erhalten 2 000 M. für Zukunft. Haben ihre elterlichen Möbel verkauft und damit jetzt ins Ausland. Erhalten Bild mit der Unterschrift „Das Kreuz, mein Wanderstab“ und ein Lichtbild: „Der liebe Gott ist überall und überall Gott.“

Lotte Seboldt - bringt Rasierklingen geschliffen, wird später zum Beichten kommen. Die Arbeit auf der Bank so furchtbar, daß sie in der Nacht arbeiten, Monate lang an einem Buch. Über meine Gesundheit sehr besorgt: Wird beten und hat schon gebeichtet. Erhält 100 000 M. leihweise für Tölz, um Papier für Tüten zu kaufen.

Nachmittags (13.30 Uhr zu Tisch) bei Regen, Leopoldstraße: Herr Stenger ist hier, ebenso Roman Simon - Robert singt zum ersten Mal, die zwei Töchter Mayer kommen dazu auf dem Weg zu Beyerle.

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