Tagebucheintrag vom 27./30. August 1922Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10007,
Seite 73,74,75
Katholikentag
27. - 30.
August
1922.
Die
Woche vorher
auf der
Konferenz
in
Fulda,
die Woche nachher zur
Konferenz
in
Freising!
In diesen Tagen
23
Reden
und
Aussprachen
gehalten -
darunter die
Predigt
über den
Katechismus
der katholische Lehre auf dem
Königsplatz
am
Sonntag,
27.
August,
und die Rede über die
Kirche
als Weltmacht des Friedens am
Mittwoch.
Nachmittags
und
abends
mit dem
Auto
von Versammlung zu Versammlung, einmal
nachts
23.00 - 0.00 Uhr
dann todmüde
Brevier
gebetet.
Dazwischen fortwährend
Pillen
schlucken und
gurgeln,
um
die
Heiserkeit
der Stimme wegzubringen. Am
Mittwoch
war ich ganz schlecht beisammen,
so elend,
daß ich nur mit
herzstärkenden
Mitteln mich aufrecht hielt und mußte in diesem Zustand die
Rede
halten - ich
hörte nur von
ferne
ein Rauschen.
Am
Sonntagnachmittag,
natürlich ohne Ruhepause
zu
den
Tirolern,
wo die Frauen
Enzian
anbieten und die Musikkapellen
an 22 Orten spielen,
um ihr Reisegeld zu
verdienen, zu den
männlichen
Jugendlichen, die allerdings große Maßkrüge vor sich hatten, - zur
weiblichen
Jugend im
Odeon,
zu den
Burschen
im
Mathäser,
zu den Arbeitern
im
Rupertusheim.
Wetter herrlich schön, „weiß-blau“. Den ganzen Sommer wurden die Sonntage verregnet, die Woche vorher lauter Regen, Sonntag früh blauer Himmel - und nachdem der Katholikentag vorüber, wieder Regen.
Die Begrüßung am Abend in der Festhalle: Alles so gedrängt in den Gängen, daß bald der Ruf erging „Gänge frei“. Stadtrat Rauch hat seine Sache ausgezeichnet gemacht. Präsident Adenauer führt sich mit der merkwürdigen Redewendung ein: „Die Bayern seien nicht halb so schlimm als man am Rhein sage“. Graf Lerchenfeld hat ausgezeichnet vom Verwachsensein des Katholicismus mit der bayerischen Kultur gesprochen. Auch der Herr Nuntius hat sehr klar und sprachlich richtig gesprochen. Nach zwei Stunden der Prolog.
Meine Gäste: Bischof Georg Schmid von Grüneck von Chur, der am Begrüßungsabend sehr schön gesprochen hat, - Bischof Ignatius Rieder von Salzburg, der wegen seines hellrot überall als Kardinal gefeiert wurde - Bischof Sebastian von Speyer waren im Hause. In den Versammlungen erschienen einige Male Erzbischof Hauck von Bamberg, Bischof von Eichstätt.
Zwischenfälle: Im Volksverein bei der Rede Stegerwalds über die wirtschaftliche Frage ruft einer „Gehört nicht auf den Katholikentag“. Fürst Löwenstein erzählt die grausame Fantasie der Münchner: In das große Zelttuch würden alle Preußen eingewickelt, wenn sie nicht brav wären und unter dem Vorantritt des Kardinals in das Hofbräuhaus gebracht und dort verweslicht
.
Als
ich erklärte:
Wir brauchen kein
Vollbier, aber vollprozentige Wahrheit, sollen zwei Münchner Frauen geäußert haben: Ganz Recht hat er,
der Herr Kardinal,
wir brauchen
hundertprozentiges
Bier und die ewige Wahrheit, sonst gar nichts. Die
monarchistische
Taste
dürfte gar
nicht angeschlagen werden: Als
Lerchenfeld
vom angestammten Königshaus sprach, ging ein Sturm durch die Halle -
der
Kronprinz
blieb von den
Studentenkommersen
weg,
obwohl er vorher zugesagt hatte,
um keine
Ovation
hervorzurufen. Mit meinem Satz
„Gottesrecht bricht Staatsrecht“
redete man auf katholische
Offiziere
ein, denn in jenen
Tagen
kriselte
es sehr bedenklich für einen Rechtsputsch und ich dankte
Gott
als der Katholikentag vorüber war,
ohne daß eine
Explosion
gekommen war.
In meiner letzten Rede mußte ich deshalb die Verantwortung ablehnen,
wenn
ein Putsch zeitlich mit dem Katholikentag zusammenfallen sollte.
Ende: In cauda venenum
!
Große Begeisterung -
bis am Schluß
Präsident
Adenauer
die deutsche Verfassung noch in Schutz nehmen wollte:
Alles
was geworden,
Eine große Freude, daß im Augustinusverein der Antrag des geistlichen! Exministers Brauns, das Zentrum für Protestanten zu verbreitern, abgelehnt wurde. Der Reichskanzler schreibt mir verbittert, weil ich seine Teilnahme nicht wünschte. - Die Antwort wird er sich nicht hinter den Spiegel stecken - seine Anhänger waren im voraus auf München geladen.
Zu Tisch bei mir: Oberbürgermeister Adenauer, Fürsten Löwenstein
,
die
kurz vorher durch
Autounglück
Schwiegersohn
verloren hatten,
Senatspräsident
Marx,
Nuntius Pacelli,
Donders,
Pater
Cölestin, Rector Brenner,
Anima,
Generalvikar
Buchberger.
...
Rauch,
Stadtrat,
Monsignore
Brem.
II. Weihbischof Haehling, Paderborn, Weihbischof Hartl, München, Dr. Müller von der Presse, Dr. Schiela, Oberstudienrat Lurz.
Karten wurden abgegeben: Geheimrat Porsch, Professor Fiala, Salzburg, Generalvikar Müller, Augsburg, Hofkaplan Helm, Freiburg, Oster, Aachen.
Episode: Am Pfälzerabend wurden französische Offiziere in Begleitung eines Benediktinerbruders von Schweikelberg beobachtet und am anderen Tag verhaftet - er wohnt bei Molz, Speyer.
Peinlich, daß eine Reihe von Bischöfen unter einem Laienpräsidium und daß Adenauer eine Predigt des Kölner Dompredigers ankündigte, ohne von mir Genehmigung zu haben.
Wetter herrlich schön, „weiß-blau“. Den ganzen Sommer wurden die Sonntage verregnet, die Woche vorher lauter Regen, Sonntag früh blauer Himmel - und nachdem der Katholikentag vorüber, wieder Regen.
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Der
Gottesdienst
am Königsplatz - viele haben sich schon vor dem Namen gefürchtet -
war sehr eindrucksvoll,
wie die Zeitungsstimmen
sagen.
120 000 Menschen unter blauem Himmel, die
Tiroler
mit ihrem
Kreuz,
die
Studenten
mit ihren Fahnen ...
Die Begrüßung am Abend in der Festhalle: Alles so gedrängt in den Gängen, daß bald der Ruf erging „Gänge frei“. Stadtrat Rauch hat seine Sache ausgezeichnet gemacht. Präsident Adenauer führt sich mit der merkwürdigen Redewendung ein: „Die Bayern seien nicht halb so schlimm als man am Rhein sage“. Graf Lerchenfeld hat ausgezeichnet vom Verwachsensein des Katholicismus mit der bayerischen Kultur gesprochen. Auch der Herr Nuntius hat sehr klar und sprachlich richtig gesprochen. Nach zwei Stunden der Prolog.
Meine Gäste: Bischof Georg Schmid von Grüneck von Chur, der am Begrüßungsabend sehr schön gesprochen hat, - Bischof Ignatius Rieder von Salzburg, der wegen seines hellrot überall als Kardinal gefeiert wurde - Bischof Sebastian von Speyer waren im Hause. In den Versammlungen erschienen einige Male Erzbischof Hauck von Bamberg, Bischof von Eichstätt.
Zwischenfälle: Im Volksverein bei der Rede Stegerwalds über die wirtschaftliche Frage ruft einer „Gehört nicht auf den Katholikentag“. Fürst Löwenstein erzählt die grausame Fantasie der Münchner: In das große Zelttuch würden alle Preußen eingewickelt, wenn sie nicht brav wären und unter dem Vorantritt des Kardinals in das Hofbräuhaus gebracht und dort verweslicht

Ende: In cauda venenum

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sei
organisch
geworden - unglaublich,
zu sagen, die
Revolution
in Bayern sei
organisch
geworden.
Wenn man nach dem
Sturm
näher zuschaue,
sehe man,
daß der umgefallene
Baum
innerlich morsch
gewesen sei!
Das deutsche Vaterland brauche den
deutschen
Katholicismus, aber auch umgekehrt. Ich erkläre ihm: Ich bedauere,
daß der Katholikentag ein so trauriges Ende nimmt.
Wir lassen unser Königshaus keinen morschen Baum schimpfen.
Wenn der
Heilige
Vater
hört, der
Katholicismus
brauche
das deutsche Vaterland,
wird er schon antworten. Am anderen Tag kommt
Direktor Hoeber
und
Donders
zu mir:
Erst sehr viel rühmend und beglückwünschend, dann
mit der Erklärung von
Adenauer,
er habe nicht gegen mich gesprochen und habe nicht das
bayerische
Königshaus gemeint.
Eine große Freude, daß im Augustinusverein der Antrag des geistlichen! Exministers Brauns, das Zentrum für Protestanten zu verbreitern, abgelehnt wurde. Der Reichskanzler schreibt mir verbittert, weil ich seine Teilnahme nicht wünschte. - Die Antwort wird er sich nicht hinter den Spiegel stecken - seine Anhänger waren im voraus auf München geladen.
Zu Tisch bei mir: Oberbürgermeister Adenauer, Fürsten Löwenstein
Es handelt sich um Alois Fürst zu Löwenstein und seine Ehefrau Josephine Fürstin zu Löwenstein.

II. Weihbischof Haehling, Paderborn, Weihbischof Hartl, München, Dr. Müller von der Presse, Dr. Schiela, Oberstudienrat Lurz.
Karten wurden abgegeben: Geheimrat Porsch, Professor Fiala, Salzburg, Generalvikar Müller, Augsburg, Hofkaplan Helm, Freiburg, Oster, Aachen.
Episode: Am Pfälzerabend wurden französische Offiziere in Begleitung eines Benediktinerbruders von Schweikelberg beobachtet und am anderen Tag verhaftet - er wohnt bei Molz, Speyer.
Peinlich, daß eine Reihe von Bischöfen unter einem Laienpräsidium und daß Adenauer eine Predigt des Kölner Dompredigers ankündigte, ohne von mir Genehmigung zu haben.