Tagebucheintrag vom 2. Januar 1922Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10006, Seite 81,82

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2. Januar. Paz und Pilar zum Gratulieren, bewundern meine Krippe, laden zu Tisch - kommen mit großen Gebetbüchern von Pasing vom Trauergottesdienst für eine arme Frau.

Ottilie Eschenlohr, Karlstraße 25 a, die das Opferbäumchen mit den vielen Engeln und süßen frommen Sprüchlein schickte, wohnt mit ihrer immer kranken, pilzkranken kranken Schwester hier allein, erhielt von Martini den Primizsegen, hat besonderen Verkehr mit den armen Seelen, was sie von ihrem Beichtvater Pater Abt Gregor lernte und von M. Benedikta O. Serv. - Augen aufschlagend - hält.

Baronin Wulffen - in der Heiratsgeschichte von Wiltrud: Er hat sehr verzweifelt und beleidigt geschrieben, er sei mit dem Kirchlichen jetzt ganz zerfallen, und sie erkläre, sie hätte ihn gemordet, sie hätte wirklich ihm nur Abstoßendes gesagt, Vorwürfe gemacht, war zu müde und mußte abbrechen. Respondeo: Mehr hat mich befremdet, daß er von ihr forderte, nicht zu fromm zu sein - eine Liebeserklärung konnte er doch nicht bei der ersten Besprechung erwarten, die Tatsache der Unterredung mußte ihm genug sagen, unsere Königstöchter müssen vorher Sicherheit haben, daß man sie nicht grob behandelt und daß kirchlich nicht kalt und zwar vorher.

Fräulein Bodenius - „sie sei bestellt“ und jetzt beim Weggehen unter der Türe: „Darf ich nächstes Jahr wiederkommen“? Das wird soviel wieder sein wie bestellt sein. Klagt viel über schlechte Zeit im Privatunterricht - 200 M.

12.30 Uhr bringe ich Gräfin Christiane Preysing die römische Erlaubnis, das Sanctissimum in ihrer Hauskapelle zu haben, also „ das Christkind“. Sie spricht über Bibelfragen, über Theosophie, Pater Kolb, über Immanuel Kant .

15.30 Uhr Beerdigung von Fritz von Miller, „Goldschmied“, bei furchtbarem Sturm und Regenwetter. Burggraf hält eine kurze, schöne Leichenrede (vixit, vivit, vivet), der Goldschmied habe sich sein ewiges Glück geschmiedet. Von den Rednern zuerst die Arbeiter, dann die Lehrer der Kunstgewerbeschule.

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16.30 Uhr bei Moy, Gabelsbergerstraße 35, dort unter dem Christbaum - Wilhelm ist nicht da, die kleine Helene auch nicht sichtbar.

Abends Hotel Union, Philisterabend: Über das Konkordat und die Privatschule, besonders Lehrerinnenbildungsanstalt. Ich halte Neujahrsansprache und übergebe 3 000 M. für zwölf Stipendien, den Alemannen und Karolingiern.

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