Tagebucheintrag vom 10. Oktober 1920Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10005, Seite 10,11

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10. Oktober Signora Bruscato - reist nach Berlin, fragt, ob einmal ein Tee? Nein, lieber bin ich allein bei ihr und den italienischen Arbeiterinnen. 200 M. für ihre Armen.

Baronin Lerchenfeld - habe 70 ganz verschämte Arme entdeckt, dabei aber 15 von ganz besonderer Traurigkeit. Ich gebe ihr aus der Amerikaspende 5 000 M. für diese und andere verschämte Arme. Gottesdienst für Elisabethtag zugesagt.

Pater Reiber SJ, Spiritual - hielt Exercitien in Adelholzen. Grüße an den Bischof von Chur, - über Societas Jesu in München.

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Kaplan Mooshammer lädt ein für seine Taubstummen in der Elisabethkirche auf 5. Dezember. Er selber hält die Ansprache gleich zuerst.

Stadtpfarrer Ströbl von Sankt Wolfgang - zur Kirchenkonsekration 31. October.

Reichsverband deutscher Kirchenangestellter: Sekretär Bauer und Sekretär Hauer, christliche Gewerkschaft. Sie hatten behauptet, sie seien „bestellt“, Dompfarrer hatte geschrieben „die Kirchenangestellten sollen sich ihnen vorstellen“ - ich glaubte wirkliche Angestellte, nicht Vertreter vom Reichsverband. Ich ließ sie reden, der eine hatte sich mit „Gelobt sei Jesus Christus“ eingeführt. Ich erklärte: Ich bin keine Berufung gegen das Ordinariat, das Ordinariat hat wiederholt ausgesprochen: Mit den Einnahmen wie vor dem Krieg kommt heute kein Mensch mehr durch, aber die Verhältnisse liegen zu verschieden, um nach einer Einheitsschablone gelöst zu werden. Wir Bayern sind gegen alle Reichszentrale mißtrauisch und die ersten Zuschriften des Reichsverbands führten eine Sprache, die sehr befremden mußte (was sie zugeben). Ich kann den einzelnen Kirchenverwaltungen nicht befehlen: Wenn sie sagen, sie haben kein Geld, habe ich alle Macht verloren. Die Hauptfrage war: Kann das Ordinariat sagen, wir verhandeln überhaupt nicht mit dem Reichsverband. Ich wiederhole, ich will friedliche Auseinandersetzung, aber nur von den zuständigen Behörden. Übrigens wird auf den wiederholten Aufruf des Ordinariates ein Teil der Pfarrer das Gehalt erhöhen, und dann folgen andere sicher nach. Ich erkläre: Wir sind nicht dazu von der staatlichen Bevormundung frei geworden, um jetzt von einem Reichsverband uns bevormunden zu lassen oder von einer Gewerkschaft. Man darf nicht vergessen: Es kann auch soweit kommen, daß jeder Pfarrer, wie in den Missionen, sein eigener Meßner sein muß. Als sie mir den Plan entwickelten: Für jede Stunde ein Achtel des vollen Gehalts, erkläre ich: Ich kann das nicht durch einen Machtspruch der Autorität entscheiden, das müssen die Kirchenverwaltungen bestimmen - aber sie sollen sich miteinander aussprechen.

Kapitänleutnant Greßer - war schon hier, scheint geistig nicht normal. Er hatte vom Sekretär gehört „Unter der Voraussetzung, daß nichts Politik“ - und kam doch erstens über innere Politik, zweitens über äußere Politik, aber „bloß zu meiner Information“. Man erwarte von Bayern die Gesundung, aber wenn es ringsum brennt, wird Bayern auch nicht verschont bleiben. „Sie haben gar keine Ahnung, wie hoch die Protestanten die Macht der katholischen Kirche einschätzen“. Er spricht von der Möglichkeit eines katholischen Kaiserhauses in Deutschland - worauf ich sage: Das sind Träume, darüber wollen wir gar nicht sprechen. Die Pfarrer müßten mehr tun - sie wirken in der Einwohnerwehr mit. Er hat lange mit Heim gesprochen in den letzten Tagen, war in Vorarlberg, meint, dort seien 70 Prozent für den Anschluß an Deutschland, was ich sehr bezweifle. Die Habsburger hätten gründlich abgehaust - was ich wieder bezweifle. Die Kirche müßte eine eiserne Hand zeigen - Das Ansehen der Pfarrer ist so geschwächt, daß wir sehr ruhig, nicht eisern sein müssen - so geht es fort, bis ich aufstehe und ihm gute Gesundheit wünsche.

Geheimrat Grauert - wegen Dantekomitee für das Jubiläum - und meine Antwort an Herrn von Bilgner in Rom. Ob nicht an den Episkopat herantreten mit einer Sammlung für Görres? Unmöglich, wir haben so viele Anträge in dieser Richtung, das Volk wird für wirtschaftliche Zwecke im Augenblick nicht zu haben sein, lieber den Betrag verdoppeln.

Lotte Seboldt - die Mutter immer noch schwer krank. Maria Kreill wieder im Dienst - aber immer noch mit Klostergedanken.

Studiosa Koessler
Möglicherweise handelt es sich um Franziska Köstler oder Magdalena Koestler.
, wegen der sozialen Studentenvereinigung - sehr zu wünschen, daß sie mit den anderen in gutem Verein wirkt.

Dr. Eugen Weiß, Vorstand des Männervereins Haidhausen, will einladen zum Jubiläum des Männervereins - muß meine Sonntage freihalten. Er war in Straßburg, ist hier sehr tätig in den Vereinen.

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