Staatliche Maßnahmen gegen deutsche JudenParallelansicht ⇨
Persönliche Reflexion, 1./9. April 1933

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Judenhetze: Der Grund war sehr gesucht: Deswegen, weil auswärtige Blätter, deren jüdischer Charakter gar nicht untersucht war, von Greueln berichteten, deshalb sollen inländische Juden, die gar nichts damit zu tun hatten, geschäftlich zu Grunde gerichtet werden. Der Ton, in dem diese Artikel verkündet wurden, war so leidenschaftlich, daß jeder denkende Hörer stutzig werden musste. Und der Erfolg? Es wird erzählt, die Juden hätten niemals ein so gutes Geschäft gemacht, wie in den zwei Tagen zwischen Ankündigung und Durchführung am 1. April. Die Leute glauben, jetzt die Waren zu Schleuderpreisen zu bekommen, und kauften vorher noch, so daß die Wache sogar schon vor dem 1. April aufziehen mußte.

Anfrage von Breslau: Director der Deutschen Bank Berlin war in Breslau, die Bischöfe möchten für Aufhebung des Boykotts eintreten beim Reichspräsidenten. Bertram hat große Bedenken dagegen. Ich telefoniere: [ ... ] Wünsche aussichtslos, würde verschlimmern. Übrigens im Rückgang.

Der Boykott, mit einem beispiellosen Tamtam angekündigt, dauerte einen Tag, nämlich Samstag 1. April. Dann wurde er sofort abgebrochen bis Mittwoch 10.00 Uhr, also Rückzug in Etappen. Ein bejahrter Familienvater, dessen Eltern und Großeltern bereits katholisch waren, dessen Frau bereits vor der Ehe katholisch wurde - daß jetzt der Boykott auch gegen solche Familien und von ihrer Kirche hätten sie keinen Schutz gefunden, von der Kirche, die berufen ist, alle Katholiken ohne Ausnahme zu schützen.

Also einen einzigen Tag, Samstag 1. April, von früh 10.00 Uhr bis abends - dann wurde abgeblasen. Sogar die Zettel: „Jude“ wurden überall entfernt. In den Kundgebungen natürlich der Rückzug in Etappen: Man hoffe, daß man Mittwoch nicht weiterfahren müsse. Man halte sich aber bereit... Die erste große Aktion der Nationalen Regierung endet mit einem solchen Fiasko. Wenn etwas die Macht der Juden beweist, nämlich des internationalen Börsenkapitals, dann war es dieser Ausgang. Ein Beweis für die Macht der Juden! confer den Umschlag Boykott, Brief von Dr. Wurm und meine Antwort . Warmuth kommt für Rechtsanwalt Schwarz.

Diejenigen, die christlich geworden sind, aus persönlicher Überzeugung, sind viel mehr Christen, als die geborenen Christen, und wenn man in der christliche Staatslehre als oberstes Gesetz bezeichnet: Darin, daß du als Kind dieses Landes und dieses Volkes geboren bist, mußt du den Willen Gottes erkennen, dieses Land zu lieben. Atqui: Die Juden, die in Deutschland geboren sind? Sie sind eben deutsch oder sie sind heimatlos.

Justizrat Schwarz bei mir: Die Sache an sich ungerecht, aber was heißt heute Unrecht. Dreifach unrecht gegen solche, die nicht mehr Juden sind. Was tun? Protestieren macht es nicht besser, reißt zugleich gegen die Katholiken. Einzelbitten werden nicht angenommen. Aber Stang soll als Sonderaktion vorstellig werden.

Auch als Steuerberater dürfen Juden nicht mehr tätig sein. Abendmeldung 9.4.33.