Kirchen- und staatspolitische EreignisseParallelansicht ⇨
Nachrichtenexzerpte, 2./4. Juli 1933

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Jugend Sonntag in der Pfarrei Egern: Von den Knaben war niemand erschienen. Sonntag, 2. Juli. Am Samstag Abend war Sonnwendfeier der HJ. „Die meisten Kinder kamen erst gegen 22.45 Uhr heim, einige erst um 2.00 Uhr früh, einige Mädchen erst 3.00 Uhr früh!“ Einige Tage später erklärt ein Knabe der HJ dem Pfarrer, der Fahnenträger der HJ lasse dem Pfarrer sagen, er solle in der Kirche ja nichts mehr sagen von einer katholischen Jugend. Sind wir so weit? Pfarrer Seeböck. Hat ihm darauf eingestanden, daß er selber eigenmächtig das unternommen. Die NSDAP verurteilt dieses Vorgehen, also erledigt.

4.7.33, Direktor Vogel. Heute Früh vor der Kirche sei er dem [ ... ] begegnet ganz traurig. Er habe aus sicherer Quelle, in den nächsten Tagen würden alle prominenten Katholiken von München verhaftet. Kein Klatsch so dumm, daß er nicht geglaubt und weitergetragen wird.

3.7. Schmidt-Pauli Vormittag erregt: In der Universität habe man erzählt, ich sei verhaftet. Nachmittag kommt sie wieder und schreibt in der Pforte: Aus dem Braunen Haus erfahren, von einer Absicht, mich zu verhaften, sei dort nichts bekannt. „Nur durch gefundene Papiere könnte es möglich werden, da uns an den Kreisen besonders liegt.“ Es ist Sache des Innenministeriums, aber da darf nichts unüberlegt vorkommen. Kardinal soll wissen, daß ein Mensch auf Leben und Tod draußen ist. Kein Weg zu weit, kein Weg zu schwer.

Die Kirche macht dieses Tempo nicht mit. Der Schritt bei den Prozessionen ist anders, als beim Parademarsch. In Weingarten unter acht Stadträten sind sechs von Preußen und Bayern. Ein Bürgermeister, kriegsverletzt, soll abgesetzt werden, wirft ihnen sein Glasauge vor die Füße.

Hitler in Reichenhall 3.7.33: Sicherlich Revolution, der Idee und der äußeren Gewalt. Ordnung im Inneren als Vorbedingung für die Kraft nach Außen. Der neue Staat sei Phantasie, wenn er nicht einen neuen Menschen schaffe. Das Wesentliche nicht die Übernahme der Macht, sondern die Erziehung des Volkes. Die Machtübernahme sei abgeschlossen. Jetzt den totalen Staat durchführen. „Spartanische Einfachheit und Härte gegen sich selber müsse die Führer auszeichnen, damit die Geführten sich willig und gern der Autorität unterordnen.“ Die SA sind politische Garanten der Revolution im Inneren, das Reichsheer, der alleinige Waffenträger der Nation, habe die Grenzen zu sichern. In Eichstätt ist ein SA plötzlich geisteskrank geworden.

Frau Dr. Weber bringt mit, es seien sämtliche Geistliche aus der Haft entlassen worden.

4.7.33, heute vier Stunden lang Ministersitzung. Die Sätze für die Gesandten in Berlin und Rom herabgemindert. 30000 M. zum Besuch der Bayreuther Festspiele. Eine politische Aussprache: Die Selbstauflösung der Volkspartei wurde zur Kenntnis genommen. So wird es möglich sein, die in Schutzhaft genommenen freizulassen. Quadt: Jede Tätigkeit der BVP hat aufgehört, die Ämter sind weggefallen. Die Hochschulgruppe, die Arbeitergruppe, die Korrespondenz, der Wirtschaftsbeirat schon früher sich aufgelöst. Im Vereinsregister zu löschen. Quadt hat bei Wagner seine Aufnahme in die NSDAP beantragt und ebenso im Reichstag als Hospitant und fordert die anderen auf, ihm zu folgen.

Hitler empfing vor seinem Rückflug die Vertreter in Kairo, China, Kamerun, Portugal. Aufzählung des Deutschen Reichs 65,3 Millionen + Saargebiet 66,6 (vor dem Krieg 1,7 Millionen mehr). Zwei Millionen Frauenüberschuß, eine Folge der Verluste im Krieg.

Dr. Goebbels hat heute vier Fahnen „feierlich geweiht“. Goebbels Schallplatte einer früheren Rede: „Was da alles im Land als Nationalsozialist herumläuft, das spottet jeder Beschreibung“. Großer Beifall. Sie kommen mit flatternden Fahnen, sie kommen nicht, um zu dienen. Kaum sind sie da und wollen Regierungsrat werden. Das sind die, die nach dem 30. Januar kamen, die Märzgefallenen. Und da wundert man sich, wir seien zu radikal. Nein, wir sind noch viel zu wenig radikal - großer Beifall stürmisch.