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Nachrichtenexzerpte/Gesprächsprotokoll, 9./28. November 1936

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Nachspiel.

An die Presse erging zwei oder drei Tage später (hier mitgeteilt vertraulich 7. November) der Befehl: Der Kampf gegen die Kirche müsse eingestellt werden.

Rösch sagt mir 9. November, es sei ihm mitgeteilt, die Untersuchung sei „vorläufig“ eingestellt (sicher im Zusammenhang mit den Ordensprozessen überhaupt).

Die Neugierde übersteigt alle Grenzen. Eine Dame läuft Bischof Müller vor Sankt Michael nach und fragt, ob ich mit dem Besuch zufrieden sei. Einer anderen sagen: Wenn Sie wissen wollen, warum ich auf Obersalzberg war? Ich bin darüber, ein neues Gebet- und Gesangbuch für die Diözese herauszugeben und da wollte ich den Führer fragen, ob ich ein Gebet für die neugierigen und taktlosen Menschen aufnehmen soll. Die Kühe so neugierig, daß keine Milch.

Was New Herald meldet, ist mit Ausnahme der Tatsache des Besuches vom ersten bis zum letzten Satz Fantasie eines Mannes, der sich offenbar von einer Verantwortung eines Zeitungsmannes nicht beschwert fühlt.

Das Traurigste: Die Menschen halten ihre Bagatellen (der eine verurteilt natürlich Unschuldige, der [      ]).

Washof bei Scheyern: Ich habe Sie gelesen, daß Sie mit dem Herrn Reichspräsidenten gesprochen haben. Schreiben Sie mir sofort, wie Sie das gemacht haben, um ihn sprechen zu können. Ich möchte nämlich ihn auch in meiner Sache sprechen.

Le Temps, Paris, 8.11.36: Aus katholischer Quelle erfahre man, der Kardinal habe gegen die Pläne protestiert, die Schulen in Bayern zu laisieren.

Le Figaro, 9.11.36, Paris: Etwas ausführlicher. Mit keinem Wort sei ein Kommentar dazu gegeben. Man hat nicht vergessen, mit welcher Entschiedenheit der Prälat in seinen Reden und Schriften den Nationalsozialismus bekämpft hat, wegen seines widerchristlichen Geistes. Der Statthalter Epp habe der Unterredung beigewohnt. Man will offenbar für den kommenden harten Winter bessere Beziehungen zwischen Kirche und Staat schaffen.

Berliner Tagblatt, 10.11.36. In einem längeren „Überblick: Eine Woche deutscher Innenpolitik“ der Satz: „Auch die Besprechung des Führers und Reichskanzlers mit Kardinal Faulhaber auf dem Obersalzberg hat überall in Deutschland und im Ausland starkes Interesse geweckt“.

Oberschlesischer Kurier, Beuthen, 8.11.36: Über den Besuch seien die wildesten Gerüchte verbreitet. Die Times habe verbreitet: Kerrl werde dem Papen Platz machen. Wahrscheinlich wurden bei der Unterredung die Beschlüsse der Fuldaer Konferenz noch weiter erklärt: Die Unterstützung der Kirche für die Lebensfrage des deutschen Volkes zugesagt. Ebenso hat er wohl den Standpunkt der Kirche in der Schulfrage dargelegt. In Vatikanischen Kreisen bisher kein Bericht.

13.11.36. Baron Ritter hat Neurath getroffen, mit dem der Führer inzwischen über meinen Besuch gesprochen hatte. Er war zufrieden und hoffe, daß ich auch zufrieden gewesen sei. Nur in einem Punkt sei er nicht zufrieden: Meine Stellungnahme gegen den Bolschewismus. Ich kann nicht alleine handeln. Gemeinsamer Hirtenbrief. Er: Die Kirche wird in Spanien nicht Herr, was soll man sagen? Ihre Auffassung, der Nationalsozialismus alleine wird Herr. Mit außerordentlichen Machtmitteln, Ja.

Der Heilige Vater durch Pizzardo: Die Tatsache allein sei für sich schon von höchster Wichtigkeit.

➥ Folio 314r

Nachspiel

Aus dem Katholischen Arbeiterverein Trudering: Ich hätte verlangt, daß die Kürzung der Gehälter der Geistlichen nicht durchgeführt werden soll. Wenn das wäre, würden sie nicht bloß aus dem Arbeiterverein, sondern aus der Kirche austreten. 14.11. sagte Fitz: Eine Lehrerin habe gesagt, sie gebe einen Monat Gehalt dafür, wenn sie wissen dürfe, was gesprochen wurde.

Rigaische Rundschau weiß schon mehr: Ich sei von Fulda bestimmt, die Kirche will sich in die antibolschewistische Front eingliedern. Œuvre, Paris, habe behauptet, der Staat verlange die Aufhebung des Beichtgeheimnisses.

Dr. Trog: Ihr Besuch bei Hitler ist die Sanctionierung und Anerkennung der Bewegung.

Buchwieser. Heß habe in Grünwald geäußert: Er hätte nicht geglaubt, daß es so versöhnlich ausgehen werde. Das erste Mal, daß der Führer bis zum Auto begleitet habe.

Neues Wiener Journal, 14.11.36. In einer außenpolitischen Wochenschau, „während über das Zusammentreffen des Reichskanzlers Hitler mit dem Kardinal Faulhaber immer neue Versionen verbreitet werden, kommt die Nachricht, daß der Kardinalstaatsekretär Pacelli sich auf der Rückreise nach Europa befindet“.

Telegraaf, Amsterdam, 15.11.36: Mit der Überschrift „Entspannung in der katholischen kirchlichen Lage“ der Führer hat ihn eingeladen. Damit hat er bewiesen, daß er zu aller Zeit bereit ist, „ohne Zwischenperson mit dem deutschen Episkopat zu verhandeln.“ Der Bericht, den Kardinal Faulhaber nach Rücksprache mit den beiden anderen Kardinälen
Es handelt sich um Kardinal Bertram und Kardinal Schulte.
an den Vatikan sandte, ist inzwischen in Rom eingetroffen. Obwohl über den Inhalt strenges Stillschweigen gewahrt wird, vernehmen wir von bevorzugter Seite, daß darin von einem Versöhnungssversuch die Rede ist.

The Times, London, 13.11.36. Die Aussprache von Kardinal Faulhaber mit dem Führer „war weit entfernt, ermutigend zu sein“. Sie haben über die Schulfrage gesprochen, die besonders in Bayern akut geworden war durch Ausweisung der Schulschwestern. Das Ergebnis der Aussprache ist quite negative gewesen. In der Schulfrage will weder der Staat noch die Kirche Kompromisse machen.

Präses Schwarz: Hier sei man wild. Auch Wagner
Möglicherweise ist Adolf Wagner gemeint.
habe geäußert: Wir werden zitiert und für den Kardinal hat man drei Stunden Zeit.


Ein Unbekannter aus Fulda, 27.11.36. Wir hatten gehofft, daß nach Ihrem Besuch beim Führer die Angriffe gegen Gott und Christus in den Arbeitslagern, in den Schulen, bei den Zusammenkünften der NS-Gliederung aufhören würden. Dem ist aber nicht so. Ein Kriegsverwundeter, der nochmals bereit wäre, für sein Vaterland Gut und Leben einzusetzen, aber auch für seinen heiligen Glauben.

Die Deutsche Glaubensbewegung. Versammlung 4.11.36, München. In der Rundschau nach dem Vortrag gibt einer bekannt, „daß heute der Führer Faulhaber empfangen habe“, (großes Hallo). „Dieses nützt ja doch nichts, wenn er auch beim Führer gewesen ist. Faulhaber wird das Gegenteil erreichen. Durch seinen Besuch hat er ihn nur besser kennen gelernt und die Kluft wird noch größer sein“.

Gauredner Dr. Stipberger in Jetzendorf, 22.11.36: Unser Führer hat uns den Glauben an Deutschland und unseren Herrgott wiedergegeben. „Selbst ein Besuch auf Obersalzberg kam reichlich zu spät“.

Ecclesia militans, Luzern, November 36. „Man denke an den uneingestandenermaßen ergebnislos verlaufenen Besuch des Kardinals beim deutschen Reichskanzler“.

➥ Folio 315r

Nachspiel. Neue Freie Presse, Wien, 3.12.36. Daß die Aussprache mit dem Führer ergebnislos gewesen ist, bestätigt das neue Jugendgesetz, das die Verstaatlichung der Hitlerjugend ausspricht.

Eine Frau aus Leipzig habe an die Schwester
Vermutlich ist die leibliche Schwester von Adolf Hitler, Paula Hitler, gemeint. Nicht auszuschließen ist jedoch, dass Hitlers Halbschwester Angela Hammitzsch gemeint ist.
des Führers geschrieben, die antwortet: Er bekommt sicher die Briefe, wenn eingeschrieben an Brigadeführer Scheub
Vermutlich ist der Chefadjutant Hitlers, Julius Schaub, gemeint.
geschickt.

8. / 9. Dezember 36 in den Zeitungen Bilder: HJ sammelt Bucheckern!

Zwei ungarische Zeitungen schreiben, Pacelli werde demnächst nach Berlin, um Hitler zu sprechen in der Frage, die ich mit dem Führer vorbesprochen hätte.

Schloß: Der Kardinal war beim Führer, nicht der Führer beim Kardinal. Wozu der Kardinal gerufen wurde? Um dem Dritten Reich die letzte Oelung zu geben.

In Konnersreuth, 27.11.36. Eine öffentliche Versammlung der NSDAP mit dem Thema auf den Zetteln: „Der Führer rief den Kardinal“. Der Redner Ganninger von Regensburg sprach sehr wenig zum Thema, nur einmal von oben herab: „Der Führer habe gesagt: Herr Kardinal! Wie stellt sich die katholische Kirche in Zukunft zum Bolschewismus? Geht sie geschlossen mit dem Nationalsozialismus in den Kampf? Ja oder Nein!“

Bischof Würzburg schreibt 24.12.36: Vor SA-Führern, Nürnberg, wurde bekannt gegeben: „Hitler hat Kardinal Faulhaber gefragt, wie er sich zum Kommunismus stelle. Kardinal Faulhaber hat geantwortet, er könne darauf jetzt nicht antworten, er müsse erst dem Heiligen Vater darüber berichten. Daraufhin habe der Führer die Verhandlungen mit dem Kardinal abgebrochen“. Das wurde aus einem Schreiben verlesen, man hatte den Eindruck einer offiziellen Bekanntgabe.

Georg Stürzer, Bauernsohn, Höglhaus bei Aibling, 25.12.36. Er habe in der Zeitung gelesen, ich hätte mit dem Führer eine gemeinsame Unterredung gehabt. Ich möge ihm doch mitteilen, was ich mit dem Führer verhandelt hätte und zu welcher Einigung es kam.

Preysing
Es dürfte der Bischof vom Berlin, Konrad Graf von Preysing, gemeint sein. Möglicherweise käme aber auch dessen Bruder Albert Graf von Preysing in Frage.
hörte, der Führer habe geäußert: Der Kardinal ist gar nicht der wilde Mann, als den ich mir ihn vorgestellt habe.

Für die Bischöfe nach einer Bemerkung des polnischen Gesandten: Unter den Diplomaten herrscht die Auffassung, der abessinische Krieg hatte gar nicht so viel Aussicht, vom Volk angenommen zu werden. Da hat sich der Klerus samt den Bischöfen eingesetzt, und dann kam Zug in die Sache. Hitler weiß, ein Krieg heute vom Volk nicht aufgenommen, wenn gleichzeitig im inneren Krieg gegen die Kirche wäre, darum Friede nach dieser Seite.

Aus America Goebel, früher Sankt-Josephsblatt: Hoffen wir, daß aus dieser Unterredung Eintracht zwischen Kirche und Staat wieder hergestellt wird, um vereint den auch vor Deutschlands Toren stehenden Feind, den Kommunismus abzuwehren.