Tagebucheintrag vom 27. Mai 1936Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10017, Seite 46

Text+KommentierungNur Text
Mittwoch, 27.5.36. Firmung in Sankt Ludwig. Die Kinder beten sehr schön. Pfarrer erzählt, daß Dr. Rieger
Es ist möglicherweise Carl Rieger gemeint.
verhaftet worden sei, Parteigenosse geworden und hat vor den Häusern Milch und Semmeln gestohlen. Die Kindergruppe, die so ausgezeichnet singt, wird von einer Lehrerin, einer Erznazi, geführt. Vor der Kirche große Huldigung, viele Kinder zu segnen - zwei Minuten vorher war der Führer vorbeigefahren, kaum gegrüßt, nur seine Begleitung hat die Hälse gegen die Kirche gestreckt.

Direktor Müller: Für den Caritassammeltag einen Aufruf - kein Gefallen, ebenso wenn ich unterschreibe. Aber das Ordinariat. Er habe Mitteilung: Die katholischen Kindergärten werden alle aufgehoben, dagegen leider kein Concordat.

Pater Theo Hoffmann, der neue Leiter der Stimmen, kommt von Berlin. War dort für Schule tätig. Für Berlin begeistert. Ein Ministerialrat leider abgebaut, Ex Cathedra, aber doch noch schulische Gesichtspunkte: Er hatte gesagt, zu sehen, Jugend wird von Jugend erzogen, sei Wahnsinn. Spricht über HJ sehr kräftig, dafür abgesetzt. Der Nachfolger Ehrlicher, alter Demokrat, kommt vom Rhein, sehr radical. Concordat wollen sie nicht mehr hören, sie lesen es nicht. Frau Hessberger will über Ausland bringen.

Giovanni Kühner, O.P. - nur deshalb vorgelassen, weil er Grüße von Pacelli und Hudal überbringt - sic. Ein Schwärmer, Vater
Es ist vermutlich Philipp Kühner gemeint.
Minister in Thüringen, in Florenz getauft, geht wieder nach Rom für Musica sacra. Er gehe im Vatikan ein und aus. Mehr um ihn los zu bringen, übergebe ich den Kreuzweg mit Widmung und ein gerahmtes mittelgroßes Lichtbild mit Unterschrift. Über meine Predigten, die er mit anderen gelesen - ein Traum heute erfüllt. Kurz war er da.

Ein dänischer Schriftsteller - übergibt dem Secretär einen Fragebogen. Darin, ob ich wirklich mehrmals eingesperrt gewesen sei. Dänischer Consul hatte ihn empfohlen, dann kommt ein Herr und sagt, sie hätten gehört, er könne schreiben für Sozizeitungen, sei unsicher. Durch den Bruder abgewiesen.

Grassl - wegen Verbuchung von Geschenken, Wirtschaft in Zangberg - kaufen ein Messgewand um 5000! Wahnsinn.

Von früh bis abends 22.30 Uhr Manuskript an Pacelli de sede Passavia denuo occupando. Sechs Seiten.

20.00 Uhr, während Gewitter heranzieht Jugend-Maiandacht im Dom. Pater Emmanuel, Praed., predigt, ich gebe den Segen. - Eine Spielgruppe - der Gesang sehr kräftig. Heimwärts ein solches Drängen um den Wagen, daß er nicht vorwärts kam - kaum ins Haus hereinzukommen. Am Haus klettern sie an den Pfeilern empor, auch an der Muttergottesstatue, und treten den Mörtel ab. Nicht zu bändigen, die Mädchen noch weniger als die jungen Männer. Die Präsides kommen am anderen Tag. Die Verwüstungen zu sehen. Es wird nach einem Hut gefragt, nach einem Gürtel, nach der Taschenlampe des Sekretärs.