Tagebucheintrag vom 23. Februar 1919Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10003, Seite 53

Sonntag 23. Febr. Gott sei Dank, die Nacht war ruhig. Trotzdem will der Herzpuls nicht zur /
Ruhe kommen (96) und alle Gebeine
sind mir zerschlagen. Gottes Engel mögen uns schützen daß heute der Gottesdienst nicht gestört wird. Es geht das /
Gerücht, die Villen der Adeligen in Schwabing sollen ausgeraubt werden. Mich drückt eine böse Ahnung schwer nieder /
Gott stehe uns bei. Man schreckt zusammen wenn
irgend
man
ein
jeden
Lärm an die an Schüsse erinnert, sogar das Teppichklopfen und /
das Zuwerfen der Türen. Im Krankenhaus sind heute die Wärter, auch die roten, zu den heiligen Sakr. gegangen.

Nachm. Sekretär: Heute Mittag vom Auswärtigen Amt Merkle mit einem Schauspieler <Narpert | Narpot> ? /
und 2 Matrosen, im ganzen Land sollen von den Kirchentürmen schwarze Fahnen morgen bei der Beerdigung von Eisner ausgehängt werden. „Er war das Haupt /
des Landes also . . . Sie wollen es nicht mit Gewalt tun sondern gütlich erreichen. Der Sekretär schickt sie zum Gen. Vic. und nach den Verhandlungen dort /
wird an die hiesigen Pfarrämter telef.: „Es werden morgen Soldaten kommen mit der Bitte schwarze Fahnen auszuhängen. Da hinter dieser Bitte die bewaffnete Macht steht, kann der /
Bitte nicht weiter widersprochen werden.“ Der Entscheid war richtig weil wir sonst Priestermord befürchten müssen - in der Pfalz ist es wieder anders v on der Theresienwiese großes Geschrei herein, aber viele jugendliche Stimmen und es scheint nicht allzu große Zahl zu sein. /
Gleichzeitig Nachricht daß am Freitag Abend in der Wohnung des Grafen Moy Haussuchung gehalten wurde, nachdem zuerst geschossen /
und sogar eine Handgran. vom Garten aus ins Zimmer geworfen worden war, daraufhin abgereist. Das Leohaus besetzt.

Abends bringt Würdige Mutter heim: Der Gen. Streik geht heute schon, also vor der Beerdigung zu Ende, das ist ein gutes Zeichen. /
Roßh. Sorge für sein Militär und habe Regimenter von auswärts kommen lassen. Die Waffen die heute an die Arbeiter verteilt werden könnten, werden nicht verteilt. /
Angeschlagen ist daß der Landtag möglichst bald eingerufen werden soll. Der Attentäter sei gar nicht Graf Arco, sondern /
ein Student der von Gräfin Arco bezahlt worden sei als ihn das Los getroffen habe. Er liege hier in irgend einem Garnis. laz. /
Tatsächlich soll er in dritte Klasse unter die anderen gelegt werden. In der Stadt verbreitet, wenn Eisn. in den Landtag gekommen wäre hätte es ein ganz großes /
Blutbad gegeben. Der Attent. sei nachts zerstückelt und gliedweise in die Grube geworfen worden aber bloß eingescharrt.

NB. Eisn. war nicht Oberhaupt des Landes (das war der Minrat zusammen), auch beim Tod der Königin nicht schwarz geflaggt. /
Das Gebet Urbans VIII: Solange Du uns schlägst schreien wir . . . ist es aber vorüber. –