Tagebucheintrag vom 16. Februar 1919Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10003, Seite 51

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16. Februar. Nach der schrecklichen Nacht – bis 4.00 Uhr keine zehn Minuten geschlafen – nüchtern bis 12.30 Uhr, weil 11.00 Uhr Akademischer Gottesdienst zur Begrüßung der Heimgekehrten in Sankt Ludwig. Rector magnificus (Baeumker) und die Fakultät in Amtstracht, die Studenten in Fahnen und Wichs, farbenfroh wie in alten Zeiten (nach der einfarbigen Zeit des Grau in Grau und Rot in Rot) auch die Corpsier dabei, standen im Kreise. Ich predigte übers Testament der Toten. Auf 13.00 Uhr war die Demonstrantenversammlung auf der Theresienwiese angesagt, auf den Straßen großes Leben. Viele haben sich gefragt, ob es keine Störung gäbe, aber Gott sei Dank ist alles ruhig und ergreifend eindrucksvoll verlaufen. Das „Großer Gott“ am Schlusse, deutsch gesungen, mit Orgel und Blechmusik, geradezu erschütternd. Auch Corps und die jüdische Verbindung waren dabei. Dekan Goettsberger will die Rede gedruckt, weil die Studenten viel danach fragen. Der Umzug von 9 000 Mann findet wirklich statt, wir hören vom Fenster aus das Schreien.

Nach der Feier gehe ich weg ins Mutterhaus, weil ich Ruhe brauche zum Hirtenbrief über Staat und Kirche. Drei Tage in der Höhle von Manresa und in 3½ Tagen ist der lange Hirtenbrief fertig.

Auch wegen des Herzleidens. Der Friedensarmee hört beim Umzug auf den Straßen Schreie, und auf die Frage: Was schreien Sie – Antwort: Nieder mit dem Erzbischof.