Tagebucheintrag vom 11. Januar 1919Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10003, Seite 38

Text+KommentierungNur Text
Samstag, 11. Januar 1919: Müde beginnt man jeden Tag seinen traurigen Weg. „Quousque tandem, Wie lange noch, oh Herr“, fragt man mit dem Psalmisten. Aus anderen Städten kommen die Nachrichten von ähnlichen Zuständen, Versuche, die morgige Wahl zu sprengen.

Dr. Alois Wurm, siehe besonders, wegen seines Pneuma.

Gräfin Mikes, die mir Graf Montgelas zum Schutze geschickt hatte und sehr erregt tut.

Bezirksamtmann, der den oberen Stock ansieht, um das Kriegswucheramt einzurichten, und von der Nachbarseite die Wand durchzubrechen.

Mister Guy de Pitard von Lausanne, durch Sekretär vom Ernähungsamt hierher geschickt, sei mit Berchem bekannt, bereist Deutschland, um 1) über Ernährungsfrage, 2) über Arbeitsverhältnisse. Die Not ist wirklich groß, aber ich verstehe das Mißtrauen, ob auch gerechte Verteilung, aber dafür Reservemagazine in der Schweiz. Der Deutsche von Stimmungen getragen, mehr als der Engländer, deshalb treibt die Mißstimmung jetzt und besonders der kommende Frost mehr und mehr zum Bolschewismus. Unsere Regierung ist ohnmächtig dagegen. Warum erklärt man nicht klar und deutlich, man verhandelt nicht mit Soldatenräten. Ob das Volk eine Okkupation wünsche? Ich kann natürlich eine Okkupation nicht wünschen, weil sie für unser Volk neue Lasten bringt, aber ich fürchte, diese Elemente werden einfach selber verschwinden. Aber Ordnung um jeden Preis? Ob man kein Verzeichnis habe? Das weiß ich nicht. Ob Konskription für Nordfrankreich zum Arbeiten? Die wissen sich wohl zu drücken, genau wie beim Krieg. Ob die Kirche keinen Einfluß habe: Unsere christlich organisierten Arbeiter sind gewiß arbeitswillig und auch unter den anderen Mehrheitssozialdemokraten ordentliche Elemente. Es sei begreiflich, daß die Arbeiter dem Bourgeois die Früchte der Revolution nicht abgeben wollen. Er sei kein Berichterstatter und nicht offiziell hier, aber inoffiziell.