Tagebucheintrag vom 30. April 1945Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 09265, Seite 50-51

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Montag, 30. April 1945. Ob der Tag der heiligen Katharina nun die Entscheidung ganz mitbringt? Bereits 4.45 Uhr das Haus zusammengerufen und Kommunionmesse im Zimmer. Es war gut, denn 7.15 Uhr (also sonst während der Messe) beginnt eine richtige Kanonade - drei Granaten hören wir pfeifen, also stürzen in den Keller. Kaum im Keller, ein Einschlag mit Pfeifen in der Nordwand des Kellers, wo der Notausgang - darunter der Altar der Kapelle, ein furchtbarer Schlag: Eine Granate, so groß wie die früheren Bomben, hatte die Wand durchgeschlagen, in der Kapelle furchtbare Verwüstungen angerichtet, bisher die größten, Hirtenstab zerbrach, auf den Schränken, Beichtstuhl zerschlagen, alles mit einer ziemlich feinen Schicht überdeckt - die Granate lag als Blindgänger mitten in der Straße. Die Fenster des Hauses, besonders meine Fenster, wieder alle zerschlagen.

Nachricht: Der Kampf im Süden von München ist zu Ende. Die Polizei entwaffnet, macht aber auch so weiter Dienste. Ein anderer: Die Stadt München noch gar nicht beschossen (!) Der Einschlag bei mir müsse eine Fehlleitung sein (!?); Pasing und Aubing besetzt. Eine lange Pause 10.30 Uhr bis 12.30 Uhr.

Im Schuhladen bei Hugendubel wurden Schuhe gestohlen von Ausländern.

13.00 Uhr der Dompfarrer: Zwei Soldaten hätten ohne seinen Willen im Dom weiße Fahne ausgehängt, er ließ wegnehmen, die Leute schimpfen. Die Panzerspitzen bereits bei Laim, seien zurückgezogen worden. Später war die weiße Fahne wieder auf dem Turm, aber ganz klein, - der [ ... ]: Der sie herunternehmen wollte, wurde der Polizei übergeben.

Meine Männer im Haus, besonders Rosenberger, wollten durchaus eine weiße Fahne aushängen. Ich erkläre: Der Dom gilt für Bischofshof.

Der Nachmittag verlief in aufregender Spannung. Pater Körbling im Vorbeifahren: Pasing und Aubing seien besetzt. Dann wieder sprechen die Kanonen. 16.30 Uhr kamen Dompfarrer und Forsthuber. Die Polizei hier habe sich ergeben, er war selber Zeuge. Die beiden [ ... ] Kasernen in Freimann seien in alliierter Hand, dagegen aus der Artilleriekaserne wird geschossen. Die deutschen Truppen ziehen sich auf das rechte Ufer der lsar zurück. Etwa 17.00 Uhr beten wir den Rosenkranz kniend.

Am letzten April etwa 18.00 Uhr ist der Krieg zu Ende.

Eine Stunde später Hauptmann Smith mit einem Zahnarzt - mit einer Frage. Gut orientiert!

Heute ein besonderes Deo gratias: 1) Die Artilleriegranate, die 7.15 Uhr als Blindgänger die Wand der Kapelle aufgerissen hatte, blieb als Blindgänger auf der Straße liegen, anderenfalls ... 2) Zehn Geschwader wären bereit gestanden, München in einen Trümmerhaufen zu verwandeln, wenn es sich nicht übergeben hätte.

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Zeichnung der Artillerie-Granate und des Einschlags in der Nordwestwand der bischöflichen Hauskapelle.