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Gesprächsprotokoll, 21. August 1944

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Vernehmung. Regierungsrat Pflüger 21. August 44. 17.00 - 20.00 Uhr.
Vgl. auch: Vernehmungsprotokoll der Gestapo, 21.8.1944, in: Ludwig Volk (Bearb.), Akten Kardinal Michael von Faulhabers 1917-1945. Band II: 1935-1945, Mainz 1978, Dok. Nr. 942, S. 1028-1030.


Freitag, 18.8.44 mit der Frühpost: Ich habe einen Auftrag, Sie vernehmen zu lassen in einer staatspolizeilichen Angelegenheit .. möglichst umgehend, wo und zu welcher Zeit .. Schäfer. Am Abend des gleichen Tages durch die Post, die freilich drei bis vier Tage braucht - aber vielleicht für Polizei schneller. Ich hielt mich bereit Samstag, 16.00 - 19.00 Uhr, Sonntag, 16.00 - 19.00 Uhr, Montag kam 16.00 Uhr die Anfrage, ob Thalhamer hier sei oder der Sekretär. Er sei auf dem Weg. Kam erst nach 17.00 Uhr. Im Sprechzimmer für Schreibmaschinen nicht praktisch also in Zimmer von Generalvikar zuerst das Ganze durchgesprochen, erst in der dritten Stunde beginnt er zu diktieren und überläßt es dann mir.

„Es handelt sich darum, festzustellen, was für Zusammenhänge Sie mit Personen vom 20. Juli haben“. Herr Regierungsrat: Was für Zusammenhänge zu mir und den Verbrechern des 20. Juli bestehen? Die Vermutung allein geht gegen die persönliche Ehre. Sie wollen wohl sagen, ob eine Aussprache mit Personen vor langer Zeit stattgefunden hat, mit Personen, die dann später in Verbindung mit dem 20. Juli genannt wurden. Ja, so ...

Respondeo: Ich habe mich lange besonnen. Es sind mir drei Dinge in Erinnerung: Einmal ob wir nicht mit den Bischöfen von Norwegen, von denen einer oder mehrere in Haft waren, eine gemeinsame Erklärung abgeben wollten. Ich sagte Nein, liegt uns fern, gilt als außenpolitisch - er winkt ab. Namen kann ich nicht nennen, da verläßt mich mein Gedächtnis und bei mir gibt ein Besuch dem anderen die Türe in die Hand - darüber nicht befriedigt, daß keine Namen. Ich glaube, im ersten Fall ist es gut gemeint, mehr um der Besatzung in Norwegen zu helfen.

.. „Der zweite Fall schon klarer. Ich kann mir die Person nicht mehr vorstellen. Nicht in Uniform. dann hätte ich nach den Achselstücken gesehen, ich meine, ich hätte ihn mit Herr Graf angesprochen. Ich stand damals ganz unter dem Gerücht von Dachau. Läßt sich erzählen, ich höre zum ersten Mal davon - „Aber - das letzte Todesurteil war so zustandegekommen“. - Daraufhin ruhig davon.

„Ja, aber erinnern Sie sich nicht an den Besuch von einem Herrn in der Kommunalverwaltung“. Ja, das ist der dritte Fall in meiner Erinnerung, bei dem ich schon mehr in Erinnerung habe. Als ich in der Zeitung las, - ich hatte den Goerigk
Es dürfte Carl Goerdeler gemeint sein.
in Erinnerung, weil Brief von einem Pfarrer (1930 in der Aufwertungsfrage) - aber die erste Silbe Goe und noch mehr „Bürgermeister“; das ist schon bestimmter. Wann es war? Ich kann nicht genau sagen, nach meiner Erinnerung ein Jahr oder eineinhalb Jahre. „Könnten es auch zwei Jahre sein“, Ja, ebenso gut, weil ich vom Inhalt des Gespräches zu wenig bestimmtes weiß. Er: Goerdeler erzählte neulich dem früheren Kriegsminister (?) Geßler, daß er bei Ihnen war. „Dann ist es der Fall - ohne solche Bestätigung würde ich mich vor der Verantwortung fürchten..“

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Ob er Brille trug? Kann ich nicht sagen. Die Gesichtszüge mir nicht mehr in Erinnerung, auch nach den Bildern in der Zeitung nicht zu erkennen. Er saß gebückt wie unsicher, sprach sehr langsam. Wie lange mag die Unterredung gedauert haben? Kann ich nicht sagen. Er: „Eine halbe Stunde“? Solange wird es nicht gewesen sein. Er sprach langsam.

Inhalt: Leider nicht mehr mein Gedächtnis von früher. Zuckerleiden - das wird jeder Arzt bestätigen und in den siebziger Jahren läßt das Gedächtnis nach. Liegt halt auch weit zurück - bei mir gehen viele Besuche ein und aus. Sonst auf einsamen Spaziergängen: Wer war heute alles da - aber jetzt gehe ich nicht mehr aus. Der allgemeine Eindruck: Unzufrieden mit den Verhältnissen. Ich weiß nicht, was im einzelnen kritisiert wurde, ob Militär oder Staatsmänner oder wirtschaftlich? Ich erinnere mich nicht, daß Namen genannt wurden, aber sehr allgemeine Kritik, ziemlich scharf.

Ich hörte wie immer zuerst zu, hörte abfällige Bemerkungen - da kam mir der Gedanke: Der will, daß ich in den gleichen Ton verfalle und dann zeigt er mich an. Vielleicht eine fixe Idee, aber es ist so, ich fürchte überall Provocateure.

Abschied: Ich stand auf, er davon überrascht, stand wohl auch auf, aber sehr zögernd, wie unzufrieden nur langsam zur Türe. Ich selber hatte den festen Eindruck: Der kommt nicht mehr. Er kam auch nicht mehr, auch nicht brieflich oder durch andere Personen.

Er mit Nachdruck: Er muß doch einen Zweck verfolgt haben mit dem Besuch und Sie hätten ihn doch fragen müssen: Was bezwecken Sie heute mit diesem Besuch bei mir. Ich: Vielleicht wollte er später einen Zweck angeben. Ich stehe in solchen Fällen auf und bin froh, wenn der Besuch draußen ist.

Ohne Anmeldung? Früher Ja, immer zuerst zum Sekretär, der dann zu mir kommt. Jetzt aber meine zwei besten Arbeiter mir genommen. - „Wer ist das“? Neuhäusler in Dachau und Zinkl landesverwiesen. Der Sekretär hat auswärts noch Seelsorge, geht baden, ist meistens nicht im Hause. Soll ich das Küchenmädchen solche Herren fragen lassen? Was wollen Sie mit dem Besuch? Neulich einen Gesandtschaftsrat (Küfner) - ich sage dann: Führen Sie den Herren herauf, ich werde ja sehen. Früher wurde gefragt: Haben Sie etwas Politisches oder eine Ehesache? „Etwas Persönliches“ antworten sie.

Protokoll war fertig. Aber der Ausdruck „wie ich das in solchen Fällen immer tue“ - Also sehr häufig? Es kommen Fliegergeschädigte, am Schluß, ich bekomme keine Wohnung, zuerst ist alles angesprochen worden, also richtig meckern, aber nicht so schlimm gemeint. Als Bischof muß ich natürlich auch in solchen Fällen abbrechen. „Frau, damit wird es nicht anders“ oder sie schimpft über die Feuerwehr: „Frau, die können nicht überall zugleich sein“. Manche renommieren: Ich bin doch bis zu ihm gekommen, ich habe ihm das und das gesagt.
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Digitalisat Faulhaber-Edition
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