Kirchen- und staatspolitische Ereignisse⇦ Einzelansicht
Nachrichtenexzerpte, 11./15. September 1933

12.9.33 Das Reichscabinett befasste sich in seiner 1. Sitzung nach den Ferien mit den Vorbereitungen für Genf. Und mit dem für die Landwirtschaft festgesetzten Preisschutz.

Heute wurden siebzig Jungstörche losgelassen, um zu sehen, wie sie sich nach Süden orientieren.

Frank zum Concordat: Die Behörden angewiesen, daß allenthalben die Rechte der Kirche gewahrt, die persönliche Sicherheit der Amtsdiener. Alle Handlungen gegen die Kirche gestraft - ebenso unberechtigte Übergriffe von Kirchenbehörden in die Rechte des Staates abgewiesen. Auch der nichtarische Staatsanwalt könne den Schutz des Staates genießen. Keine Eingriffe in den Bereich des Staates: Von Unterbehörden also nicht Anordnung treffen: Es werde verboten, solchen Anordnungen zu gehorchen. Das Eingabentum soll bekämpft werden. Den Justizministerien gehen noch immer Gesuche über Schutzhaft zu - darüber allein zuständig das Staatsministerium des Inneren und die unterstellte Behörde. Die Aufwandsentschädigung für die Reichspostbeamten ist herabgesetzt worden. Die Grenze der Steuerfreiheit hinaufgesetzt der Arbeiter wegen. Als neuer Führer der Studentenschaft Dr. [      ]. Der frühere hatte sein Amt niedergelegt.

Pater Odo 11.9.: In Nürnberg sei schlecht organisiert. Alles unzufrieden gewesen. Die Rede Hitlers am 1. Mai mußte gekürzt werden, weil polnische und französische Gesandte Einspruch erhoben hatten. Wenn Arbeitslager am 1. Oktober kommen, die Franzosen sofort einmarschieren. Ob es nicht besser wäre, ohne Concordat es zu dem offenen Kulturkampf kommen zu lassen. Bei ihnen neuerdings verhaftet und verboten. Er selber wiederholt verhört. War mit Jugendlichen in Rom, um ihnen Märtyrergeist zu geben. Goering - habe geschlichtet.

13.9. abends Hitler und Goebbels haben zum Kampf gegen Hunger und Frost aufgefordert und drei Stunden danach waren bereits zwei Millionen M. gezeichnet. AuWe wäre zum Sturmgruppenführer befördert. Esser nimmt im Bayerischen Wald Ehrenbürgerrechte nicht an: Wo nicht besondere Verdienste vorliegen, wie bei Hindenburg und Hitler, könne man das nur annehmen, wo persönliche Verdienste um die betreffende Gemeinde. Zum Tode Muchow: Haben wir an unseren Herrgott nur noch eine Bitte, daß nicht noch weitere Opfer von uns gefordert werden.

14.9. Die Rede über „Österreich“ mit dem Schlußwort: Ohne Anspielung machen zu wollen, muß man erklären, daß die Politik von Dollfuß kurze Beine hat.

In London heute eine internationale juristische Sitzung über den Reichstagsbrand. Das Auswärtige Amt in London hat dem deutschen Gesandten erklärt, sie könne derartige private Untersuchungen nicht verhüten.

250 Jungstörche.

Der Reichsbund der Kinderreichen hat bei 21 Regierungen seit 1921 kein praktisches Verständnis gefunden. Das habe sich jetzt geändert.

In Tirol wurde jetzt Hofer sein Geschäft geschlossen, auch seinem Vater, dem sechzigjährigen Warenhändler wurde Bürgerrecht aberkannt.

15.9.33 Preussischer Staatsrat. Heute ein Staatsakt. Auch das vergangene System hatte seine Akte, aber das Volk hatte kein Anteil. Heute Anzeichen daß das System des Parlamentarismus und Pacifismus gestorben und vernichtet ist. Über ein Jahrtausend waren Not und Schande, und Schmach herrschte - während hier Feigheit regierte, war es die erste Notwendigkeit der Nationalsozialistischen Revolution. Sogar heute ein Wendepunkt in der Geschichte. Im größten Land des Deutschen Reichs wurde die Staatsverfassung geändert. Aus der Feigheit und Dummheit muß eine Auslese getroffen werden, denn in der Welt haben immer nur Männer von besonderer Qualität die Geschicke bestimmt. Da Gott dem deutschen Volk immer wieder solche Männer beschert hat, konnte das Volk immer wieder heraufgeführt werden aus der Tiefe. Für das ganze Reich soll bewiesen werden, daß dieses System das richtige ist. Anstelle des undeutschen Parlamentarismus ein Führercollegium. Die Stunde, die wir heute erleben, ist die Todesstunde des Parlamentarismus in Preußen. Gerade heute: Das Abgeordnetenhaus lehnte den Militärétat ab, am 16. September wurde Bismarck zum König gerufen. Aber auch einem Bismarck gelang es nicht, das Übel des parlamentarischen demokratischen Systems mit der Wurzel auszureißen, Parteien, die sich die Vernichtung des Aufstiegs zum Ziel gesetzt hatten. Dann wieder Parlamentarismus der Feigheit. In letzter Stunde gab die Vorsehung dem deutschen Volk einen Mann, der es, so Gott will, zu einem besseren Reich führen soll. Im Parlamentarismus wurden die Probleme nicht gelöst, weil der Eigennutz der Parteien siegte, Gemeinnutz kannte man nicht, so wenig wie die anderen Tugenden. Dem ewigen parlamentarischen Geschwätz, man stimmte.
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Digitalisat Faulhaber-Edition