Tagebucheintrag vom 6. Februar 1919⇦ Einzelansicht
Nachlass Faulhaber 10003, Seite 47-48

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6. Februar 1919, Beisetzung der Königin Marie Theresia in Wildenwart. Ein schwerer Tag: Die Nacht hatte ich 11.00 - 1.00 Uhr eine Skizze für die Trauerrede gemacht, 5.00 Uhr zur Bahn, 5.43 Uhr ab, 10.45 Uhr Prien an, 12.30 Uhr die Beisetzung, 13.00 Uhr die heilige Messe, 14.00 Uhr Frühstück. Schneegestöber, so daß alles fürchtet, wir bleiben sicher stecken. Es war ein Wagen angestellt, Prinzess Arnulf und Theresia
Es könnte Therese Charlotte von Bayern gemeint sein.
rufen mich in ihr Abteil. Mit einem Auto und fünf Schlitten werden die Gäste hinaufgebracht. In den Wäldern noch die gebrochenen Bäume vom letzten Sturm. Der König empfängt an der Stiege: „Ihr Brief hat mir von allen am besten gefallen“, sagt er mir ins Ohr. Wir kleiden uns im Arbeitszimmer der Königin an, daneben ihr Sterbezimmer, im Salon aufgebahrt, sehr friedlich. Die Schlosser brauchen zum Verlöten eine Stunde. Pater Rupert
Vermutlich ist Pater Rupert Jud gemeint.
, Pfarrer Frischhut, Stiftsdekan Klaiber und Sekretär assistieren. Meine Trauerrede über Weihnachtsgnade, Ostergnade, Pfingstgnade ihres Lebens. Der König schaut in das Grab und ist sehr ergriffen. Kronprinz nicht dabei, weil unterwegs stecken geblieben. Zu Tisch, ein Familientisch, wo ich zwischen Herzogin Calabrien und ihrer Tochter
Wohl Maria Antonieta di Calabria, Maria Cristina di Sotomayor-Luna oder Barbara zu Stolberg-Wernigerode
sitze, während am anderen Tisch Gundelinde bei ihrem Bräutigam ist. Nach Tisch der König: Die Bayerische Volkspartei ist ja auch republikanisch, die Geistlichen müßten mehr tun, – auch über Pfalz. Sie waren ja immer ausgezeichnet. Die Gehälter der Bischöfe waren ja ganz erbärmlich.

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Im Arbeitszimmer der Mutter hat Helmtrud gebeichtet, Schwester Potamina [ ... ], Helmtrud fragt über verbotene Bücher und gibt mir Blumen vom Sarg; Dann die Baumeister Vater
Möglicherweise ist Karl August Baumeister gemeint.
, Mutter
Vermutlich: Agnes Baumeister.
und Tochter vorgestellt, bekommen Bild, Medaille und den Segen; ebenso die treue Dienerschaft, besonders Schuster
Vermutlich ist der Hofbeamte Joseph Schuster gemeint.
, Frau Schweydel und die anderen.

16.15 Uhr mit Auto nach Prien ins Pfarrhaus und Kirche (Vorabend von Herz-Jesu-Freitag), 19.30 Uhr ab – Im Wagen gibt es kleine Zwischenrede, weil andere auch einsteigen und Prinz Georg: „Glauben Sie denn, ich streite mich mit Ihnen herum“. Baron Werdenfels, protestantisch, bekannt mit Knecht
Vermutlich August Knecht.
, Breitling von Beye. Hatte gleichzeitig einen protestantischen Vicar dabei . . .

Heimkehr etwas unsicher, weil Demonstrationen der Erwerbslosen angesagt waren. Cramer-Klett küßt kniend den Ring am Bahnhof. Heimkehrender Demonstrant: Kinder, ich möchte Euch etwas sagen.
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Digitalisat Faulhaber-Edition