Kritische Online-Edition der Tagebücher
Michael Kardinal von Faulhabers (1911–1952)

16.09.2025
Cover des Sammelbands
Cover des Sammelbands.

Neuerscheinung: „Wir leben in einer Zeitenwende ...“

Michael Kardinal von Faulhaber und die katholische Kirche zwischen Monarchie, Diktatur und Demokratie

Unter dem obigen Titel erschien vor kurzem ein von Dr. Matthias Daufratshofer, Dr. Moritz Fischer und Dr. Peer Oliver Volkmann herausgegebener Sammelband beim Kohlhammer-Verlag in der Reihe „Münchener Kirchenhistorische Studien. Neue Folge“.

Michael Kardinal von Faulhaber führte als Erzbischof von München und Freising zwischen 1917 und 1952 akribisch Tagebuch. Die einzigartigen Aufzeichnungen erlauben tiefe Einblicke in seinen Alltag und seine unzähligen Gespräche in einer Zeit dramatischer Umbrüche: von der Monarchie über die Weimarer Republik und die NS-Diktatur bis hin zur Besatzungsherrschaft und den Anfängen der Bonner Republik.

Wie ließen sich die rasanten politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen mit der Vorstellung einer ewigen göttlichen Ordnung in Einklang bringen? Wie reagierten Faulhaber, die katholische Kirche und der Vatikan auf Krieg und Frieden, auf Demokratie und totalitäre Ideologien und sich wandelnde Geschlechterrollen? Die Beiträge des Sammelbandes werten die Tagebücher im Blick auf diese Fragestellungen aus und beleuchten die bis heute kontrovers diskutierten Ambivalenzen, Brüche und Kontinuitäten in Faulhabers Denken und Handeln.

Der Sammelband entstand aus den Beiträgen des im Oktober 2022 vom Team der Faulhaber-Edition veranstalteten Workshops „Katholizismus im Umbruch? Michael Kardinal von Faulhaber und die katholische 'Ordnung' in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“. Aus den Reihen des Faulhaber-Projekts verfassten neben den beiden Projektleitern Prof. Dr. Dr. h.c. Hubert Wolf und Prof. Dr. Andreas Wirsching auch die drei Herausgeber sowie die (ehemaligen) Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Tilman Deckers, Philipp Gahn und Franziska Nicolay-Fischbach einen Beitrag.

Weitere Informationen zur Publikation, das Inhaltsverzeichnis und eine Leseprobe finden Sie auf der Website des Verlags.

In dieser kritischen Online-Edition werden die Tagebücher Michael Kardinal von Faulhabers und die sogenannten Beiblätter aus den Jahren 1911 bis 1952 veröffentlicht. Es bedeutet einen großen Glücksfall für die Forschung, dass diese Dokumente über einen so langen Zeitraum lückenlos überliefert sind. Erstmals wird dieser Textkorpus systematisch aus der Kurzschrift Gabelsberger übertragen und der Öffentlichkeit in Gänze zur Verfügung gestellt. Die Texte und später auch die Kommentare werden in regelmäßigen Abständen online verfügbar gemacht.

Der Münchner Erzbischof Michael Kardinal von Faulhaber (1869-1952) war ein machtbewusster Kirchenfürst, ein politischer Vordenker, ein hochgelehrter Theologe und ein internationaler Netzwerker. Er prägte die Geschichte der katholischen Kirche über zahlreiche Umbrüche hinweg, vom Kaiserreich über den Ersten Weltkrieg, die Weimarer Republik und den Zweiten Weltkrieg bis in die Besatzungszeit und die ersten Jahren der Bundesrepublik. Faulhaber mischte sich ein, nahm Stellung und scheute keinen Streit, wenn es um die Interessen der Kirche und die Verteidigung des Glaubens ging. Das brachte ihm viele Verehrer, aber auch viele Feinde ein. Besonders umstritten ist er heute wegen seiner Kriegsrechtfertigungen, seiner Kritik an der Weimarer Republik und seines Verhaltens im „Dritten Reich“.

Auch politische und kulturelle Entwicklungen beobachtete Faulhaber sehr genau – und versuchte sie zu beeinflussen. Seine Aufzeichnungen sind daher nicht nur eine wichtige Quelle für Kirchenhistoriker, sondern auch für grundlegende Fragen der deutschen und europäischen Politik-, Gesellschafts- und Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Die universelle Struktur der katholischen Kirche eröffnet außerdem internationale Vergleichshorizonte.

Das Editionsprojekt wird insbesondere neue Beiträge zum Verhältnis von Religion und Politik und zum Umgang der katholischen Kirche mit totalitären Ideologien ermöglichen. Gleiches gilt für innovative Forschungen zur Theologie- und Kulturgeschichte, etwa mit Blick auf personelle Netzwerke, Frömmigkeitsformen, Kriegsdeutungen und Geschlechterrollen im Katholizismus oder die Beziehungen zu anderen Glaubensgemeinschaften.

Das Team des Projekts hat sich die von Faulhaber verwendete Kurzschrift Gabelsberger angeeignet. Das Projekt trägt so dazu bei, diese Kulturtechnik vor dem Aussterben zu bewahren. Durch die technische Weiterentwicklung der Datenbanken und Darstellungsformen leistet das Projekt zudem einen Beitrag zur Verbesserung der Forschungsinfrastruktur.