Tagebucheintrag vom 4. März 1923Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10008, Seite 25,26

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Sonntag, 4. März 1923. Bonifatius-Sonntag.

8.00 Uhr in Sankt Michael Generalkommunionmesse für Hansa ohne Ansprache. Nichts vorbereitet, Sekretär Wehner läuft wie ein Kind hinten drein.

Baron Moreau: Um unser neues Gebäude gibt es viele Kaufliebhaber: Ein Holländer, ein Finanzconsortium, das auch Wertzuwachssteuer übernehmen will (wird bald vermindert), und für italienisches Generalkonsulat. - Wir kommen wohl auf 100 Millionen. Auf der anderen Seite einige Aussicht auf das Haus Brey und Arlow gegenüber Nuntiatur.

Marie Buczkowska: Ob Societas Religiosa hier Osterkonvent? Wegen der Besetzung, und zweifelhaft, ob sie wieder zurückreisen dürfen, besser nicht halten. Soll Gruppe recrutieren oder Standesexercitien halten. Die hiesige Gruppe kommt in der Karwoche zu mir. Vielleicht von Fulda her in Frankfurt.

Dr. Alfons Faulhaber, Oberleutnant: Ob ich auf der Bischofskonferenz anregen möge, daß die guten Elemente aus den katholischen Standesvereinen zur technischen Nothilfe gehen sollten, wie Fulda tat? Ja. Ob im Amtsblatt oder auf der Konferenz bleibt überlassen. Die Landesleitung Leopoldstraße 13.

Herr Hofstetter, jetzt bei der Werkgenossenschaft, die die Schreiner mit Werkholz versorgt. Früher ein armer Bursche, der sein Brot und Suppe bei den Kapuzinern an der Pforte holte, dann in einem Geschäft war und dort als minderwertig überall zurückgestellt, bis auf einmal - er hatte viel gebetet, täglich zweimal die Lauretanische Litanei - er Geschäftsführer hier wurde und jetzt gleich Millionär - darum 100.000 M. für die Armen.

Baron Tänzl - war früher Konzertsänger, jetzt wegen Asthma bei einem heilkundigen Fräulein von Eberhard mit den Scheren die Lunge ausgepresst und wirklich besser geworden - von Dietldorf und daß seine Schwester Antonie gar nicht glücklich sei.

Hierl-Deronco stellt mir seinen Sohn vor, ebenfalls Baron Hierl-Deronco, der nächstens von Hindringer, dem Vetter, getraut wird und jetzt beim Finanzministerium ist - „auch wenn ihm etwas Sterbliches passiert , will er mir seinen Sohn empfohlen haben“.

Herr und Frau Dr. Ernst - über das Zerfallen der Familie Liebel, über das Karzinom von Dr. Mayer. Mit Elisabeth geht es noch nicht gut.

Lotte Seboldt - bringt eine prächtige Tasse und klagt über ihre Krankheit mit wachsenden Schmerzen.

15.00 Uhr Sankt Michael, Predigt des Bischofs von Meißen über die Diaspora in Sachsen. I. Kein anderes Bistum so bedürftig (dort auf einen Priester 2 500 Katholiken, manche haben dreißig Ortschaften zu versorgen, kein Priesterseminar - nicht genug Kirchen, wir brauchen noch hundert, Wirtshaussäle, Fabrikräume, als Kathedrale ein Stück vom Dom in Bautzen - nicht genug Schulen), II. Kein anderes Bistum so würdig: Benno hier im Dom - viele Bayern sind dort - müssen selber tun wollen und haben eine große Zukunft.

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Abends 19.30 - 22.00 Uhr Lehrerschaft Bonifatiusversammlung im Asamsaal. Bischof von Meißen spricht wieder sehr begeistert und eindrucksvoll. Die Sammlung ist sehr ergiebig, besonders auf den feurigen Appell von Fräulein Schuster.