Tagebucheintrag vom 18. Februar 1923Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10008, Seite 18,19

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Sonntag, 18. Februar. Marie Seinsheim: Über Hildegard natürlich. Wirtschaftlich in Sorgen, weil ohne Dienstmädchen der Hausarbeit nicht gewachsen, aber jetzt spekuliert. Erhält 20 000.

Betty Müller mit Schwester Elisabeth, einer Witwe, die im städtischen Waisenhaus zwei Knaben hat, aber der eine in der dritten Lateinklasse soll jetzt heraus, und ich soll bei Stadtrat Heilgemayr ein Wort einlegen - unmöglich, ich gebe aber jeder 5 000 M. Sie trägt Schwesternkleidung, weil der Arzt der Privatklinik es will!!

Agnes Dingfelder - hat auf der Bayerischen Handelsbank im Monat 160 000 M. und bringt davon für heute zurück - ich nehme aber nicht an. Ihre Familienverhältnisse sehr traurig.

Kommerzienrat Mayer von der Kunstanstalt, bringt gegen Quittung 500 000 für die Seminarien - ein alter, gemütlicher Herr, ist wie in seinem Geschäft so im Staat für die Diktatur. Will wieder einmal etwas bringen. Über seine Fenster in Rom, in Sankt Paul und im Vatikan. Klagt über die zwei schrecklichen Fenster im Dom bei den Türmen, die er eventuell selber erneuern will.

Baronin Malsen - morgen zur Kommunionmesse. Findet auch, daß zugleich Oblatin und Vereinigung der Diakoninnen-Schwester zu viel sei!

Graf Soden: Bringt Grüße vom Kronprinzen und zwei Briefe von Geistlichen: Der eine will gerne Güter bewirtschaften mit Schwestern und davon den Arbeitern abgeben an Lebensmitteln - ohne Antwort; der andere, Franz Xaver Fuchs aus Bubach, Diözese Regensburg, fragt ihn aus, ob es wahr sei: „Mir wurden die

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Religionen eingebläut, darum habe ich keine“ - so habe ihm ein Kapuzinerpater gesagt, das könne nur Pater Coelestin gewesen sein, zu dem allein der Kronprinz sich einmal so geäußert hätte - „mit Unrecht Schwaighofer“. 2) Ob es wahr sei, daß er an einer Tafel geäußert: „Jetzt kommen die Juden und Pfaffen dran.“ 3) Außer anderen Dingen „auf sinnlichem Gebiet“, ob der Erbprinz in Ettal die Sterbesakramente aus Unglauben verweigert habe - jetzt schrieb er „ergebenst“, später wieder „alleruntertänigst“ - ich schicke Auszug an den Bischof von Regensburg. Graf Soden beklagt sich, daß er persönlich verdächtigt würde, „der Kronprinz stehe unter jesuitischem Einfluß“, Ludendorff sei die Quelle - leider sei der Rektor Pfeilschifter ein Anhänger von Ludendorff.

Generalsekretär Mosterts übergibt ein Buch „Unser Ziel“ und hält langen Vortrag über seine Jugendpflege. Nicht Bewegung soll es sein, von der Jugend erarbeitet, sondern gegeben, nicht wie in Italien und den romanischen Ländern eine Laienbewegung, sondern unter dem Priesterpräses. Die Stelle eines Beirates ist des Priesters nicht würdig. Sehr zarte Winke, wir Bayern sollten keinen Krieg machen, sondern brav zu den besetzten Gebieten stehen, ich sage ihm, wir hätten zur Reichsregierung kein Vertrauen.

General Held: Hatte vor kurzem Ohnmachtsanfall. Arbeitet ehrenamtlich bei einem Freund auf der Bank in Bilanzen und das strengt an. Alles bei ihm muß arbeiten. Was Dr. Foohs macht.

Mrs. Margaret Gavan Duffy, Pension Galanti, Kaulbachstraße 61, mit ihrer Schwester, überbringt von General Governor von Irland 50 Englische Pfund für Priester und Orden. Die beiden Kinder Mary und Colomb haben in Rom von Papst Benedikt die erste heilige Kommunion empfangen.

Maria Kreill bringt Nachricht über Krankheit Seboldt, morgen zur Kommunion. 14.00 Uhr zu Tisch, wieder sehr müde.

16.00 - 18.30 Uhr Generalversammlung der Vincenzvereine im Vincentinum. Alte Geleise, im Gang die vor Sorge weinenden Insassen des Hauses. Ich halte Ansprache über „Sankt Vincenz spekuliert“. Einer hatte für meine Gabe im Voraus gedankt und bemerkt: Wer schnell gibt, gibt dreifach. Ich antworte: Die Lira ist so gesunken, daß, wenn ich gleich geben würde, ich nur den dritten Teil geben könnte.